Prozess gegen mutmaßliche Folterer in Syrien: Fotos von „Caesar“ als Beweismittel

Erstmals weltweit werden die Bilder des ehemaligen syrischen Militärfotografen in einem Prozess eingeführt. Sie belegen systematische Folter.

Der Angeklagte Anwar R. auf der Anklagebank des Oberlandesgerichts Koblenz hinter Corona-Schutzscheiben deren Rand seine Augen verdecken.

Anwar R. auf der Anklagebank des Oberlandesgerichts Koblenz hinter Coronaschutzscheiben Foto: Thomas Frey/dpa

KOBLENZ taz | Im Prozess gegen zwei mutmaßliche Folterknechte des syrischen Assad-Regimes vor dem Koblenzer Oberlandesgericht geht es jetzt um die sogenannten Caesar-Dateien – jene mehr als 50.000 Fotos, die ein ehemaliger syrischer Militärfotograf mit dem Decknamen Caesar von getöteten Gefangenen machte und die anschließend aus Syrien herausgeschleust wurden. Die Bilder der geschundenen und ausgehungerten Leichen werden damit erstmals weltweit als Beweismittel in einem Prozess eingeführt.

Seit Ende April stehen in Koblenz zwei Syrer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht. Anwar R., ein ehemaliger ranghoher Mitarbeiter des Allgemeinen Geheimdienstes in Syrien und verantworlich für das berüchtigte Gefängnis „Al-Khatib“ in Damaskus, ist wegen 58-fachen Mordes und Folter in mindestens 4.000 Fällen, wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt.

Caesar, der versteckt in Nordeuropa lebt, wird in dem Prozess nicht aussagen. Deshalb hat das Gericht die französische Journalistin Garance Le Caisne als Zeugin geladen. Sie schaffte es im Jahr 2015, Caesar ausfindig zu machen und mehrfach mit ihm zu sprechen. Vor Gericht schilderte sie, dass Caesars Job eigentlich darin bestand, Tatorte zu fotografieren, an denen Soldaten beispielsweise durch Unfälle ums Leben gekommen sind.

Mit dem Beginn der Proteste gegen das Regime im März 2011 änderte sich dies. Immer häufiger musste er die Leichen von Inhaftierten ablichten, die von brutaler Folter gezeichnet waren – bis zu 50 Tote am Tag. Die Leichen, sagte Le Caisne, seien mit Nummern markiert gewesen, oft direkt auf die Haut geschrieben: Die erste bezeichnete den Häfting selbst, der damit keinen Namen mehr hatte. Die zweite stand für die Abteilung, in der der Tote zuvor inhaftiert war. Hinzu kommt eine dritte, die der jeweilige Rechtsmediziner ergänzte – nach der Reihenfolge seiner Bearbeitung.

Sie wollten der Welt die Bilder zeigen

Im Mai 2011 soll sich der zunehmend entsetzte Caesar gemeinsam mit einem Vertrauten, dessen Deckname Sami ist, entschlossen haben, die Fotos zu kopieren. Sami archivierte sie. „Es ging Caesar und Sami darum, der Welt diese Bilder zu zeigen“, sagte Le Caisne. „Aber sie wollten auch den Familien zeigen, was mit ihren Angehörigen passiert ist.“ Diese seien häufig einfach verschwunden. Die beiden Männer hätten gehofft, dass ihre Beweise für die Verbrehen des Assad-Regimes dazu führen, dass diese aufhören.

Caesar und Sami verließen Syrien im Sommer 2013, die Fotos wurden von einer dritten Person aus dem Land geschmuggelt. Anfang 2014 stellte eine Expertengruppe aus ehemaligen Anklägern der Kriegesverbrechertribunale zu Sierra Leone und Ex-Jugoslawien einen ersten Bericht zur Glaubwürigkeit der Beweise vor. Dessen deutsche Übersetzung wurde am Mittwoch in Koblenz verlesen.

Caesar sei ein „glaubwürdiger Zeuge“, die Fotos „eindeutige Beweise für systematische Folter und Tötungen von Inhaftierten durch das syrische System“, heißt es darin. Inzwischen haben auch Human Rights Watch und das FBI die Fotos als echt identifiziert.

Auch die Bundesanwaltschaft hat die Fotos forensisch untersuchen lassen. Einer der Gutachter wird in der kommende Woche in Koblenz aussagen. Dann wird es wohl auch darum gehen, welche der Fotos dem Gefängnis „Al-Khatib“ zuzuordnen sind und in dem Zeitraum gemacht wurden, in dem der Hauptangeklgte Anwar R. für dieses verantwortlich war.

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