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Damit die Ideale weiterwirken

Wer in seinem Testament gemeinnützige Organisationen bedenkt, sollte ein paar Dinge beachten. Die Adressaten helfen dabei

Den Nachlass respektvoll und nachhaltig verwerten

Von Helke Diers

„Es ist wichtig, dass ein Erbe da ist, der damit vernünftig in meinem Sinne etwas macht“, sagt Hermann Wiefels. Der 70-Jährige beschreibt sich selbst als „Kind der 68er-Bewegung“ und hat gemeinsam mit seiner Frau ein sogenanntes Berliner Testament errichtet – nach dem Tod der beiden soll die Bewegungsstiftung erben. Sie unterstützt soziale Bewegungen für Ökologie, Frieden und Menschenrechte.

Darum gehe es vielen Menschen – das eigene Engagement fortzuführen. Cornelia Rump ist Fachanwältin für Erbrecht und berät Menschen bei der Testamentsgestaltung für Organisationen. Sie erfährt die Hintergründe verschiedenster Spender*innen. Neben den Menschen, die sich schon im Leben engagiert oder treue Spender*innen gewesen seien, gebe es solche, die keine näheren Verwandten hätten. „Es gibt ein weiteres Phänomen, was hinzukommt: Manche Menschen wollen ihren Nachlass sehr steuerbewusst weitergeben. Gemeinnützige Organisationen zahlen keine Erbschaftsteuer“, berichtet sie.

Steuern sind auch ein Argument für Hermann Wiefels und seine Frau Sigrid Dorschky. „Ich bin ein politischer Mensch und habe immer überlegt, wie ich mit meinem Geld umgehe. Als meine Mutter gestorben ist, habe ich selbst geerbt. Ich finde unser Steuersystem sehr ungerecht: Die Einkommensschere und die Vermögensschere gehen immer weiter auseinander. Die Reichen werden bevorteilt“, sagt Wiefels. „Das Hauptvermögen kommt von meinem Mann, mir ist es deshalb recht, dass wir das so geregelt haben“, sagt Dorschky dazu. Interesse an Politik begleitet beide durch ihr Leben: Energiesparendes Bauen und Wohnen, Anti-Atomkraft und Umweltbewegung sind ihre Themen. Das Paar plant, in ein genossenschaftliches Wohnprojekt zu ziehen. „Das ist unsere politischer Arbeit“, sagt die 61-jährige Dorschky.

Viele Spender*innen hätten keine eigenen Kinder, berichtet Sandra Lüderitz-Korte, Fundraiserin für den Bereich Großspenden und Erbschaften bei Amnesty International Deutschland. Aber auch mit Nachkommen sei die Reaktion von Angehörigen über die soziale Verwendung des Geldes oft positiv. Auch Hermann Wiefels nennt die Kinderlosigkeit als Argument. „Das ist einer der Gründe, warum wir das so machen. Sonst hätten wir leibliche Kinder auch zum Teil bedacht.“

Wer erwägt, im Testament eine oder mehrere gemeinnützige Organisation zu berücksichtigen, sollte sich beraten lassen. „Es ist meistens schnell ausgedrückt, was man sich wünscht. Aber dass es genauso in die Tat umgesetzt wird, dazu ist eine Beratung nicht schlecht“, sagt Lüderitz-Korte von Amnesty International. Wenn der eigene Wille sicher niedergeschrieben sei, könne man noch ein paar Jahrzehnte gut leben ohne sich weiter mit der Umsetzung beschäftigen zu müssen. Sie hofft, es mögen viele Erblasser*innen der Menschenrechtsorganisation Bescheid geben, wenn sie im Testament berücksichtigt wird. „So können wir auch Danke sagen.“

Die gemeinnützigen Organisationen freuen sich über Beträge aller Größenordnungen. „Es geht nicht um die Millionenbeträge, auch wenige hundert Euro helfen“, sagt Lüderitz-Korte. Oft berücksichtigten die Erblasser nicht nur eine Organisation, sondern mehrere, erzählt Anwältin Rump. So war es auch zunächst im Testament vom Ehepaar Wiefels und Dorschky. „Ich hatte mich mit verschiedenen Modellen beschäftigt und bin dann auf die Bewegungsstiftung gestoßen. Die Stiftung kannte ich vorher nicht. Erst hatte ich viele verschiedene Organisationen in meinem Testament aufgeführt“, sagt Wiefels. Die Eheleute vermachen der Stiftung eine größere Summe. „Die Organisationen sind oft selbst überrascht, wie groß die Beträge sind“, sagt Rump. Häufig gehe es um Beträge von 50.000 Euro aufwärts. „Teilweise auch stark aufwärts“, fügt sie hinzu.

Wer eine gemeinnützige Organisation im Testament berücksichtigen möchte, kann das ohne spezielle Anforderungen tun. Formal funktioniert das genauso, als wenn man einen guten Freund oder Verwandten bedenken möchte. Speziell für gemeinnützige Organisationen gilt noch: Sie zahlen keine Erbschaftsteuer, unabhängig von der Höhe der Zuwendung.

Wie bei jedem Testament gilt auch hier: Es muss eigenhändig geschrieben und unterschrieben oder notariell beurkundet sein. „Und es muss juristisch treffend formuliert sein“, sagt Cornelia Rump, Fachanwältin für Erbrecht. Allgemein müsse bei jedem Testament zuvor geklärt sein, ob es Pflichtteilsberechtigte gebe oder ein anderes bindendes Testament, beispielsweise gemeinsam mit dem*der Ehepartner*in oder eingetragene*n Lebenspartner*in. Wenn ein älteres Einzeltestament vorhanden sei, könne dies jederzeit widerrufen und ersetzt werden.

Eine Organisation kann als Alleinerbin, Miterbin zu einem bestimmten Anteil oder als Vermächtnisnehmerin eingesetzt werden. Ein Erbe müsse sich um die Abwicklung des Nachlasses kümmern, ein Vermächtnisnehmer erhalte nur einen Anteil vom Erbe, erklärt Rump. Was viele nicht wissen: Große Organisationen übernehmen auch die Abwicklung eines Nachlasses.

„Viele Menschen suchen nach einer Lösung und sind dankbar, wenn sie wissen: Die werden dafür sorgen, dass nicht vieles lieblos weggeworfen, sondern der Nachlass respektvoll und nachhaltig verwertet wird“, so Rump. Wohnungsauflösungen, Grabpflege, Kontokündigungen – all das kann beispielsweise von Amnesty International als Erbin umgesetzt werden. Das im Vorfeld abzusprechen und Informationen auszutauschen, hilft den Organisationen.

Mit dem Erbe Gutes tun – das wollen immer mehr Menschen in Deutschland. Zum zweiten Mal führte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der Initiative „Mein Erbe tut Gutes – Das Prinzip Apfelbaum“ 2019 eine Studie zur Bereitschaft des gemeinnützigen Vererbens in Deutschland durch. Danach verdoppelte sich innerhalb von sechs Jahren die Bereitschaft der Befragten, eine gemeinnützige Organisation zu bedenken. Rund ein Viertel der Menschen kann sich das vorstellen. Natur- und Tierschutz stehen dabei gefolgt von sozialen Hilfen an oberster Stelle. Auch Lüderitz-Korte spricht von steigenden Anfragen: „Ich habe mehr Gespräche mit Menschen, die sagen: Ihr seid bei mir im Testament drin.“