Steigende Coronazahlen in Frankreich: Fünf Stunden anstehen für Test

In Frankreich wird viel mehr getestet als zuvor. Nicht nur deshalb halten Statistiker die aktuell hohen Fallzahlen für erklärungsbedürftig.

Menschen schlendern mit Maske durch Paris

Pariser Masken-Chic Foto: rtr/Christian Hartmann/File Photo

PARIS taz | Jeden Tag liefern in Frankreich die Gesundheitsbehörden der Direction de la santé ihre aktualisierte Statistik. Diese vermittelt ein quantifiziertes Bild einer Entwicklung, die vorerst keinen Anlass gibt zu viel Optimismus: Derzeit werden täglich rund 10.000 zusätzliche Infektionen innerhalb von 24 Stunden gemeldet, mehr als viermal mehr als in Deutschland zur selben Zeit.

Die Bürgerinnen und Bürger finden in mehreren Medien jede Menge Zahlen zur aktuellen Entwicklung der Pandemie. Vielleicht wäre eine Gebrauchsanweisung zur Beurteilung dieser statistischen Angaben von Nutzen. Denn: Was genau sagen die Zahlen aus, und was soll man daraus für das individuelle und kollektive Verhalten ableiten?

Da ist etwa am Dienstag zu lesen: Mit 5.616 CovidpatientInnen in Krankenhauspflege, davon 919 in Intensivstationen, wird eine wöchentlich zunehmende Tendenz konstatiert. Sind mehr als 13.200 Neuinfektionen, wie am Wochenende binnen 24 Stunden gemeldet, in ganz Frankreich besonders viel? Oder ist das bloß das Ergebnis der vervielfachten Zahl von Tests?

Zumindest warnen Statistiker, die Zahl der bestätigten Fälle in Frankreich sei mit Vorsicht zu interpretieren. Denn ab Ende Mai wurde die Zählmethode geändert, überdies sei die Zahl der Tests pro Woche von 200.000 Anfang Juni auf mehr als eine Million Anfang September gestiegen.

Statistiker warnen, die Zahl der bestätigten Fälle sei mit Vorsicht zu interpretieren

Zudem mussten die kürzlichen Zahlen relativiert werden, denn ein großes Krankenhaus in der Pariser Region hatte seine Dossiers nicht an die Zentrale weitergeleitet. In der Folge gab es einen sprunghaften Anstieg der Statistik der Todesfälle, der allein betrachtet zur Einschätzung der Entwicklung, die schon dramatisch genug ist, trügen könnte.

Bars und Cafés müssen vielerorts früher schließen

Lokal haben jedenfalls schon einige Städte ihre bisherigen Restriktionen verschärft. Von privaten Feiern und Treffen mit mehr als 10 Personen wird dringend abgeraten. In Städten wie Nizza, Marseille oder Bordeaux müssen Bars und Cafés früher schließen.

Neue Regeln gibt es auch für die Schulen: Seit dem Wiederbeginn des Unterrichts Anfang September waren Dutzende von Schulklassen schon wegen vereinzelter Covidfälle oder bloßem Verdacht geschlossen worden. Nun hat Frankreichs Erziehungsminister klare Leitlinien herausgegeben: Erst wenn in einer Klasse drei Kinder oder Jugendliche aus verschiedenen Familien positiv getestet wurden, muss die Klasse geschlossen werden.

Die Tests sind in Frankreich jedoch ein Problem für sich: Wie dies seit Wochen behördlich empfohlen wird, wollen oder müssen sich sehr viele Leute in den privaten Labors oder den speziell dazu eingerichteten Stellen testen lassen. Doch das Angebot hält bei dieser enormen Nachfrage nicht mit. Vor den Testzentren bilden sich Warteschlangen, das Anstehen kann bis zu fünf Stunden dauern, die Testergebnisse werden oft vier Tage später versprochen. Die Ankündigung, PatientInnen mit Covidsymptomen und einer ärztlichen Verordnung hätten Priorität, wird nicht eingehalten.

Der Direktor der Gesundheitsbehörden der Hauptstadtregion, Aurélien Rousseau, behauptete in der Sonntagszeitung Journal du dimanche, es gebe seit August eine Internetplattform, dies es den Ärzten ermögliche, ihren potenziell mit Coronavirus infizierten PatientInnen einen Vorrang bei den PCR-Tests zu geben. Mehrere von der taz befragte AllgemeinpraktikerInnen sagen allerdings, davon sei ihnen nichts bekannt. Oft dauere es in Wirklichkeit bis zu acht Tage, um in einem Labor in Paris einen Termin für den Test zu erhalten.

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