Neue Waffenruhe in Libyen: Lieber Stillstand als Krieg

Schon wieder ein wackliger Waffenstillstand in Libyen? Da eine Eskalation droht, gibt es keine Alternative dazu.

Ein Mann an einem schweren Maschinengewehr

Tripolis: Kämpfer der Regierung feuern auf die selbsternannte Libysch-Nationale Armee Foto: dpa

Wieder mal eine Waffenruhe in Libyen. Auf den ersten Blick ist die Selbstverpflichung zu einer Einstellung der Kampfhandlungen, die Libyens Regierung in der Hauptstadt Tripolis sowie die Gegeninstitutionen im ostlibyschen Tobruk am Freitag verkündeten, eine Luftnummer: Gekämpft wurde seit Juni sowieso nicht mehr, und der wichtigste Gewaltakteur, Feldmarschall Haftar im Osten des Landes, ist nicht dabei. Es wäre nicht die erste Waffenruhe in Libyen, die nicht einmal das Papier nicht wert wäre, auf dem sie geschrieben wäre, wenn sich denn jemand die Mühe gemacht hätte, sie zu Papier zu bringen und tatsächlich von den Konfliktparteien unterzeichnen zu lassen.

Doch etwas ist diesmal anders. In den Monaten, seit dank des militärischen Eingreifens der Türkei die Belagerung der libyschen Hauptstadt Tripolis beendet und die Haftar-Armee in den Osten des Landes zurückgedrängt werden konnte, hat sich das Horrorszenario von Libyen als regionalem Schlachtfeld immer bedrohlicher konkretisiert. Die Türkei setzte sich im Westen des Landes militärisch fest und machte zugleich ihre territorialen Ansprüche im Mittelmeer immer deutlicher. Ägypten, Frankreich, Griechenland und Russland gingen dagegen in Stellung. Zeitweise sah es so aus, als stünden Erdoğan und Macron kurz vor dem Krieg gegeneinander – entweder direkt im Meer oder als Stellvertreterkrieg auf libyschem Boden. Und zugleich wussten sie alle, dass das kompletter Wahnsinn wäre.

Nun erteilen die wichtigsten zivilen Akteure Libyens – die Regierung im Westen, das Parlament im Osten – dieser Eskalation eine Absage. Die auswärtigen Mächte haben nun einen hervorragenden Vorwand, sich wieder zu mäßigen, ohne gegeneinander das Gesicht zu verlieren.

Gelöst ist Libyens Krise damit nicht. Wie ein zynischer Kommentator es ausdrückt: nur eine weitere Etappe im libyschen Stillstand. Aber angesichts drohender Eskalation ist Stillstand bereits ein Erfolg. Jetzt eröffnet sich eine Chance für politische Gespräche. Mal sehen, ob sie jemand ergreift.

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Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

Auch Jahre nach Beginn des „Arabischen Frühlings“ reißen die Massenproteste nicht ab. Ein ganzes Jahrzehnt ist tief durch die Arabellion geprägt. Im Schwerpunkt-Dossier „Zehn Jahre Arabischer Frühling“ berichten taz-Korrespondent*innen und Gastautor*innen aus den Umbruchsländern vom Maghreb über Nordafrika bis nach Syrien, den ganzen Nahen Osten und die arabische Halbinsel.

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