Grünen-Fraktion schließt Mitglied aus: Auftritt mit Folgen

Bei der „Querdenken“-Demo in Berlin stellte sich der Flensburger Grüne David Claudio Siber in einer Rede gegen seine Partei. Diese reagiert nun.

Demonstranten mit Reichsflaggen vor dem Bundestag.

Der Grüne bekam viel Applaus von rechts: Reichsflaggen vor dem Bundestag am vergangenen Samstag Foto: Fabian Sommer/dpa

NEUMÜNSTER taz | Braunes Haar, Brille, modischer Bart und ein weißes Hemd mit locker hochgekrempelten Ärmeln, so trat David Claudio Siber am vergangenen Sonnabend auf die Bühne vor die Menschenmenge im Berliner Regierungsviertel. Der Flensburger stellte sich als „verheirateter Familienvater, Student der Politik- und Kulturwissenschaften“ vor – und als Mitglied der Grünen. Dafür gab es Pfiffe und Buh-Rufe aus dem Publikum, so zeigt es ein Youtube-Video der Veranstaltung, die sich gegen die Maßnahmen gegen die Coronapandemie richtete und von Rechtradikalen als Bühne genutzt wurde.

Rund 20 Minuten sprach Siber und die Menge, die ihn zuerst ausgebuht hatte, jubelte ihm bald zu. Denn der Flensburger beschrieb sich als „kritisch und unbequem“, weil er versucht habe, „in meiner Partei einen kritischen Blick“ auf den Umgang mit der Pandemie zu liefern. Aber „jeder Versuch wurde abgeblockt, ich wurde stigmatisiert und ausgegrenzt“, beklagte sich Siber auf der Bühne.

Immer wieder habe er Studien und „Fakten-Papiere“ an Parteimitglieder aller Ebenen geschickt, dafür sei er „als Verschwörungstheoretiker bezeichnet“ worden. Weder Opposition noch Medien würden angesichts der Coronakrise ihre Aufgabe erfüllen, so Siber weiter. Grünen-Abgeordnete hätten sich bei ihren Entscheidungen auf „Wissenschaftler der Regierung verlassen“, seine Einwände dagegen „wurden mit Gelächter quittiert“.

Die Rede wurde schnell über soziale Kanäle geteilt, den Flensburger Kreisverband der Grünen erreichten zahlreiche Kommentare. Am Montagabend beschloss die Ratsfraktion, den Studenten von seinen Ehrenämtern auszuschließen. „Das Vertrauen der Fraktion ist erschüttert“, sagt die Landesvorsitzende der Partei, Ann-Kathrin Tranziska, der taz: „Innerhalb der Gremien eine andere Meinung zu vertreten als die Mehrheit, ist etwas ganz anderes, als sich bei einer Demo hinzustellen, bei der Mitglieder der AfD und Reichsbürger teilnehmen, und dort öffentlich gegen die Partei zu wettern und aus parteiinternen Runden zu zitieren.“

Ann-Kathrin Tranziska, Landesvorsitzende der Grünen

„Ich hoffe auf seine eigene Erkenntnis, dass es keinen Sinn macht, Mitglied einer Partei zu sein, wenn alle anderen Dinge anders sehen als er“

Sibers Haltung sei bereits länger bekannt, berichtet Marlene Langholz-Kaiser, Kreisvorsitzende in Flensburg. „Es kam aber für uns überraschend, dass er auf der Demo aufgetreten ist.“ In den vergangenen Monaten habe es bei verschiedenen Anlässen Versuche gegeben, mit Siber zu diskutieren und ihn einzubinden: „Das war offensichtlich nicht erfolgreich“, sagt Langholz-Kaiser. Die Studien und „Fakten-Papiere“, die Siber in seiner Rede erwähnt, seien Texte, „die im Netz kursieren“.

Die Entscheidung, David Claudio Siber aus der Fraktion auszuschließen, fiel bei einer Sitzung am Montagabend. Dafür reicht eine interne Abstimmung, denn als bürgerliches Mitglied ist Siber nicht gewählt. „Die Hürde ist nicht hoch, man will ja, das Leute in die Kommunalpolitik hineinschnuppern“, sagt Langholz-Kaiser. Siber gehörte dem Bildungs- und dem Sicherheitsausschuss der Stadt an, war allerdings in beiden nur Stellvertreter, so dass es nicht zu einer Vakanz kommt.

Erst wenige Monate war Siber dabei, wie oft er in dieser Zeit an Sitzungen teilnahm, kann Langholz-Kaiser nicht sagen. „Es war teilweise zu lesen, er habe für diese Rede auf seine politische Karriere verzichtet – das finde ich etwas schräg, das hat mich etwas geärgert“, sagt die Kreisvorsitzende.

Ob es in der Folge auch zum Parteiausschluss kommt, sei zurzeit noch offen, sagt Landesvorsitzende Tranziska: „Ich hoffe auf seine eigene Erkenntnis, dass es keinen Sinn macht, Mitglied einer Partei zu sein, wenn alle anderen Dinge anders sehen als er.“

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