: Kühne Ideen für den Stern
Studierende haben ganz neue Pläne für den gefährlichen Kreisverkehr entwickelt und durchgerechnet. Am liebsten würden sie zwei Straßen ganz für Autos sperren
Von Jan Zier
Angehende Bauingenieur*innen der Hochschule Bremen haben sich radikale Ideen für die Kreuzung „Am Stern“ ausgedacht. Denn die ist auch nach ihrem 900.000 Euro teuren Umbau vor drei Jahren ein Unfallschwerpunkt geblieben. Und in der Baubehörde gelten die planerischen Möglichkeiten als „ausgeschöpft“, heißt es – es sei denn, man mache den Stern einfach zu einer Ampelkreuzung. Die Studierenden haben da aber noch sieben andere Ideen entwickelt, geprüft und auch schon mal ausgerechnet, was das jeweils kosten könnte.
Nachdem sie die Wirtschaftlichkeit ihrer Ideen, deren städtebauliche Effekte und eben die Folgen für Verkehrsqualität aller selbst benotet hatten, schnitt bei den Studierenden eine der billigsten Varianten am besten ab. Sie sieht vor, dass die innere Kreisinsel kleiner wird, um Fläche zu gewinnen und große Reflektorschwellen die Spuren der Radler*innen von denen der Autofahrer*innen klar trennen. Außerdem soll die Zufahrt vom unteren, südlich gelegenen Teil der Parkallee sowie der Wachmannstraße in den Stern für den motorisierten Individualverkehr mit Hilfe von Pollern ganz gesperrt werden. Das erhöhe zwar das Verkehrsaufkommen in den anderen vier Armen der Kreuzung sowie den umliegenden Straßen, verbessere aber den Verkehrsfluss insbesondere für die Radler*innen und verhindere auch das Fahren in zweiter Reihe, befinden die Studierenden. Und die untere Parkallee und die Wachmannstraße würden deutlich ruhiger. Zugleich könnten Polizei- und Rettungsdienste beide Zufahrten im Notfall weiter nutzen. Diese Variante kostet rund 150.000 Euro und bekommt in der Selbsteinschätzung der angehenden Bauingenieur*innen die Note 2,53.
Spektakulärer ist die Idee, am Stern mit Hilfe von Rampen einen „schwebenden Kreisverkehr“ zu bauen, sodass die Radfahrer*innen über den Autos, Bussen und Bahnen auf einer ganz eigenen Ebene fahren können. Die geschätzten Kosten für diese Variante belaufen sich auf zehn Millionen Euro, so die Studierenden. Sperrt man die Zufahrt aus der unteren Parkallee und der Wachmannstraße für die Autos, reduzieren sich die Kosten auf sechs Millionen Euro. Als „sehr negativ“ bewertet wird aber der Kohlendioxid-Ausstoß beim Bau, der auf über 270.000 Kilogramm beziffert wird. Deshalb werden diese beiden Ideen am Ende doch nur mit „befriedigend“ und damit als „negativ“ bewertet.
Auch über Tunnel haben die Studierenden nachgedacht, zum Beispiel über einen unterirdischen Kreisverkehr für Radler*innen, dessen Kosten auf sieben bis zehn Millionen Euro beziffert wurden. Kühn ist der Vorschlag, den „schwebenden Kreisverkehr“ für Radfahrer*innen mit einem Tunnel für die Straßenbahn zu kombinieren. Das würde Schätzungen zufolge aber 35 Millionen Euro kosten. Doch selbst die Variante, dass das Erdgeschoss allein dem Fuß- und Radverkehr vorbehalten bleibt, weil die Straßenbahn im Untergeschoss, Autos und Busse aber im ersten Stock fahren, wurde zumindest durchgerechnet – 44 Millionen Euro. Ebenfalls als „nicht umsetzbar“ verworfen wurde die Idee eines Tunnels allein für die Autofahrer*innen, der Schätzungen zufolge 30 Millionen Euro verschlingen würde.
Ergänzt werden die Berechnungen durch detaillierte Verkehrszählungen für Autos, Räder und Fußgänger*innen, jeweils differenziert nach den sechs Zufahrtsstraßen des Stern. „Weil es keine aktuellen Zahlen gab, die wir nutzen konnten, haben wir selbst Verkehrszählungen durchgeführt“, schreiben die Studierenden über den nicht-motorisierten Verkehr. Dabei kamen sie auf durchschnittlich 3.490 Fußgänger*innen und 17.640 Radler*innen am Stern pro Tag, denen laut Verkehrsentwicklungsplan 58.500 Autos gegenüberstehen. Würde man die Zufahrten von der unteren Parkallee und der Wachmannstraße in den Kreisverkehr sperren, entfielen am Stern demzufolge laut den Studierenden etwa 3.400 Autos am Tag, wenn man den Ausweichverkehr auf andere Routen mit berücksichtigt.
Die Lobbyisten der Fußgänger*innen sowie der Fahrradfahrer*innen hatten nach dem Umbau des Stern zunächst weniger drastische Ideen als die Studierenden, etwa die Entschärfung winkliger Bordsteine oder eine eindeutigere Radspurführung. Aus Sicht der Verkehrsbehörde besteht ohnedies kein akuter Handlungsbedarf: “Den vom Weser Kurier-Chefredakteur als ‚Todesstern‘ getauften Kreisverkehr haben wir deutlich entschärft und wesentlich übersichtlicher für alle Verkehrsteilnehmer*innen umgebaut“, bilanzierte Senator Joachim Lohse (Grüne) schon 2018. Und dass die Zahl der Unfälle am Stern nach dem Umbau nicht signifikant gefallen ist, erklärt man in der Baubehörde damit, dass nun viel mehr Radfahrer*innen als früher den Kreisverkehr nutzen.
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