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Alle wollen, keiner kann

Seit die Kinderklinik in Bremerhaven wieder kommunal ist, läuft es gut mit der medizinischen Versorgung. Bloß den Neubau zu bezahlen, wird schwierig

VonBenno Schirrmeister

Manchmal ist Politik so machtlos: Zwar sei „völlig unstrittig, dass der Neubau der Kinderklinik in Reinkenheide gebraucht wird“, sagt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke), eine Finanzierungszusage fürs Bremerhavener Projekt könne sie aber trotzdem nicht geben: „Wir müssen in absehbarer Zeit einen Weg finden, wie wir die Finanzierung für die Kinderklinik im kommenden Jahr absichern“, so die Senatorin – und verweist darauf, dass „die Beteiligung der Kommune Bremerhavens an der Finanzierung dabei ein nicht unwesentlicher Baustein“ sei. Im Landeshaushalt jedenfalls ist keine Summe eingetragen für das Bauprojekt.

Eine „Ungleichbehandlung“ zulasten von Bremerhaven nennt die fehlende Absicherung dagegen der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Stadtverordnetenfraktion, Ralf Holz. Und ins selbe Horn stößt Petra Brand (Die Linke), „auch wenn ich damit meine eigene Senatorin kritisieren muss“, wie sie der taz sagt. Die Kinderklinik sei nun mal geplant als vierte Etage des Neubauprojekts vom Städtischen Krankenhaus Reinkenheide. Der Baubeginn könne „nicht warten, bis die rot-grün-rote Koalition in Bremen alle Finanzierungslöcher der Geno gestopft hat, bevor sie mal nach Bremerhaven schaut“.

Harsche Vorwürfe, die verständlich scheinen. Denn bescheiden wirkt die Summe von 13 Millionen Euro, die man dort veranschlagt angesichts der Millionenspritzen, mit denen das chronische Defizit der Geno, also der stadtbremischen Klinikholding, ausgeglichen – und die aus dem Ruder gelaufene Finanzierung ihres Klinikum-Mitte-Neu-Projekts abgefedert wird. Bloß: Auch in Bremen ist dafür der kommunale Haushalt angezapft worden. In Bremerhaven, dessen SPD-CDU-FDP-Koalition sich deutlich zu dem Kinderklinik-Projekt bekennt, will man das zwar auch tun – „aber zunächst muss das Land die Förderung beschließen“, so Magistratssprecher Volker Heigenmooser.

Die Krankenhausfinanzierung des Landes arbeitet derzeit mit fiktiven, also nicht auf konkrete Vorhaben bezogenen Werten. Sie ergeben sich aus der Größe der jeweiligen Einrichtung. Die Förderung von Einzelprojekten ist dagegen kompliziert. „Mit der Novellierung des Bremer Krankenhausgesetzes bis zum Ende des Jahres schaffen wir die Grundlagen für Einzelförderungen“, kündigt Senatorin Bernhard an.

Erst müssen mal die Löcher der Kliniken in Bremen gestopft werden

Politisch muss sie das schmerzen. Denn die Kinderklinik Bremerhaven kann als Erfolgsgeschichte der Rekommunalisierung gelten: Im vergangenen Jahr hatte man dem Ameos-Konzern die Zuständigkeit für Pädiatrie und Neonatologie regelrecht abgerungen. Seit Januar erfüllt das kommunale Krankenhaus Reinkenheide den Versorgungsauftrag, momentan nutzt man dafür ein Provisorium. „Wir haben uns vor Ort überzeugen können, dass alle Beteiligten sehr gut und engagiert zusammenarbeiten“, lobt Heidrun Gitter, Präsidentin der Landesärztekammer die Folgen der Restrukturierung. „Das Ergebnis hat uns beeindruckt.“ Aber was jetzt not täte, wäre „ein auch bundesweit sichtbares Signal“, sprich: eine Finanzierungszusage für den Neubau.

Tatsächlich lassen sich solche Investitionen momentan nicht so einfach beschließen: Den Rechtsrahmen bildet hingegen ein komplexes Zusammenspiel aus Bundes- und Landesgesetzen sowie den Kritierien, die der gemeinsame Bundesausschuss vorgibt. In ihm vertreten sind die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Kranken­hausgesellschaft sowie der Spitzenverband der Krankenkassen. Das Gremium legt fest, welche Leistungen gesetzlich Versicherten zustehen. Der Abgleich der rechtlichen Ebenen erfordert ein sperriges Antragsverfahren. Im vergangenen Dezember war die Ärztezeitung zu dem Schluss gekommen, dass die Länder in diesem Regelungsdickicht ihre vom Grundgesetz garantierte Gestaltungshoheit in Sachen Klinikfinanzierung verloren hätten.

Gewinner hat dieses Spiel keine – außer der Bank: Solange es keine Finanzierungszusage gebe, „müsste das Klinikum schon für Planungskosten und dann auch für Baukosten in Vorleistung gehen und käme dann mit dem Haushalt ins Minus“, warnt Heidrun Gitter. Das müsste durch Einsparungen refinanziert werden, „die dann ja nur zu Lasten von Patienten und Personal gehen können“.

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