: Spaßbremse im Stadion
Keine Stehplätze, keine Gästefans, kein Bier – die DFL hat Regeln für die Rückkehr der Fans ins Stadion verabschiedet. Jetzt grübeln die Vereine, wie sie diese umsetzen sollen
Von Christian Otto und Hannes Wanger
Was gut gemeint ist, sorgt für großes Rätselraten. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat bekanntgegeben, unter welchen Spielregeln wieder Fans in die Stadien dürfen. Seitdem grübeln die in der 1. und 2. Liga vertretenen Vereine, wie sie den mutigen DFL-Plan mitten in der Coronapandemie umsetzen können.
Keine Stehplätze, keine Gästefans, kein Bier im Stadion: So glaubt die DFL, dass wieder Spiele vor Publikum ausgetragen werden können. Wie sich das sicher und gut organisieren lässt, bleibt aber offen und Sache der Vereine. „Wir haben natürlich Pläne. Ob sie machbar sind, muss am Ende die Politik entscheiden“, sagt Jörg Schmadtke, Geschäftsführer des Erstligisten VfL Wolfsburg.
Grundsätzlich gilt: Die Ware Profifußball braucht gute Stimmung und Zuschauer im Stadion. Vor allem Zweitligisten wie Holstein Kiel oder der VfL Osnabrück sind auf Zuschauereinnahmen angewiesen. Ein Traditionsverein wie Eintracht Braunschweig erinnert sich an seine gesellschaftliche Verantwortung und will Vorsicht walten lassen – aber trotzdem vor Zuschauern spielen. „Wir wünschen uns je nach Pandemieverlauf eine dynamische und verantwortungsvolle Anpassung der einzelnen Maßnahmen“, sagt Eintracht-Geschäftsführer Wolfram Benz.
Das Dilemma bleibt, ein Heimspiel so zu organisieren, dass Zuschauer Freude an einem Sportevent haben und bei dessen Besuch trotzdem keinen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt werden.
Auf der langen Liste der Vereine stehen knifflige Fragen. Wie wird der Einlass ins Stadion mit Abstand ermöglicht? Wie lassen sich Schlangenbildungen vor den sanitären Einrichtungen verhindern? Und wer soll überhaupt eine Eintrittskarte bekommen, wenn zum Beispiel wie in Bremen von insgesamt 42.100 verfügbaren Plätzen lediglich rund 15.000 genutzt werden dürfen? Die Verantwortlichen von Werder Bremen erwägen ein Losverfahren unter den Dauerkarteninhabern, zumal deren Kontaktdaten dann auch gleich verfügbar wären.
Gegen eine solche Entscheidungshoheit der Vereine regt sich Widerstand. Denn der harte Kern der Fußballfans folgt der Devise, dass entweder alle Anhänger ins Stadion dürfen oder keiner. „Wir empfehlen: Redet mir euren lokalen Fanvertretungen, um die bestmögliche Lösung zu erreichen“, sagt Markus Sotirianos, Vorstandsmitglied des Fanbündnisses „Unsere Kurve“.
Bis zum Saisonstart der beiden Profiligen, die am 18. September den Betrieb wieder aufnehmen wollen, gibt es noch jede Menge Diskussionsbedarf. Die Vereine geraten vor allem deshalb unter Zugzwang, weil es mit den jeweils zuständigen Gesundheitsämtern hohen Abstimmungsbedarf gibt. Außerdem entscheidet jedes Bundesland selbst, ob Großveranstaltungen wie ein Fußballspiel mit einer bestimmten Anzahl von Zuschauern erlaubt sind.
In Niedersachsen sind aktuell lediglich 1.000 Zuschauer erlaubt. Bei Hannover 96 werden die Vorgaben trotzdem mit Zuversicht kommentiert. Der Verein fühle sich gut vorbereitet. „Wir haben jetzt für Spiele mit Zuschauern feste Leitlinien und wären damit vorbereitet, wenn die Politik grünes Licht geben sollte“, sagt Martin Kind, der in Hannover alles entscheidende Geschäftsführer.
Die Diskussion darüber, wie sinnvoll die Rückkehr der Zuschauer in die Stadien ist, wird begleitet von steigenden Infektionszahlen. Deshalb rät Schmadtke vom VfL Wolfsburg zur Zurückhaltung. „Wir führen eine öffentliche Debatte zu einem ungünstigen Zeitpunkt“, sagt der ehemalige Torhüter und heutige Geschäftsführer. Er finde es vernünftig, bis Ende August abzuwarten. Zudem halte er es für fraglich, ob es für kleinere Vereine überhaupt wirtschaftlich sein kann, unter den von der DFL genannten Bedingungen wieder Zuschauer ins Stadion zu lassen. Der VfL Wolfsburg prüft gerade, wie er sichere Abläufe für maximal 7.000 Zuschauer vorbereiten kann. Über mögliche Lösungen öffentlich zu sprechen, findet der Verein viel zu früh.
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