: „Endlich konnte ich in meinem Rhythmus wählen“
Levke Burfeind
27, studiert Jura an der HU. Fürs nächste Semester hat sie sich einen neuen Bildschirm gekauft.
Würde ich vor die Wahl gestellt – Digital- oder Präsenzsemester – ich würde mich wohl für die digitale Variante entscheiden. Das Sommersemester meines Jurastudiums war eines der sogenannten Schwerpunktsemester. Meine Kurse zum Thema „Vertrag und Wettbewerb“ konnte ich trotz des Digitalsemesters alle wählen. Generell hatten wir in unserem Studienfach Glück, unser Kursangebot war kaum eingeschränkt.
Manche Veranstaltungen wurden einfach ins Digitale übertragen. Das fand ich völlig in Ordnung. Besonders gut haben mir aber die Kurse gefallen, in denen neue Formate ausprobiert wurden. Beispielsweise wurde die Vorlesung zum Kaufrecht asynchron angeboten. Die Dozentin hat ihre Sitzungen im Vorfeld aufgezeichnet und hochgeladen. Fragen konnten wir per Mail stellen. Zuerst war ich skeptisch, ob es dröge würde, alleine im WG-Zimmer zu sitzen und dem Computer zuzuhören. Genau das, fand ich aber schnell total super: Endlich konnte ich Pausen machen, wenn ich etwas nachgucken wollte oder auf Toilette musste. Diese Unterbrechungen haben mir in den Präsenzveranstaltungen gefehlt.
Eine andere Professorin hat ihre Videovorlesung zur Fusionskontrolle vor der Veranstaltung hochgeladen, sodass wir in den Zoom-Seminaren vertiefend über die Inhalte diskutieren konnten. Das hat sehr gut funktioniert, denn wir hatten den Stoff ja bereits gehört. Dass meine Dozentinnen den Mut hatten, diese Formate auszuprobieren, hat mich sehr gefreut.
Im Jurastudium hat man oft das Gefühl, nicht hinterher zu kommen. Das hatte ich in diesem Semester nicht. Ich war deutlich besser vorbereitet. Ich glaube, das liegt auch daran, dass ich meinen eigenen Rhythmus wählen konnte. Beispielsweise kann ich morgens gut vor dem Frühstück arbeiten. Das funktioniert natürlich nicht so gut, wenn man dafür aus dem Haus in die Uni muss. Zu Hause konnte ich alles in meiner Reihenfolge machen. Dazu kommt: Ich habe täglich eineinhalb Stunden Fahrzeit zur Uni gespart. Die Zeit konnte ich dann in Kochen oder Sport investieren. Ich fühlte mich viel dynamischer und selbstbestimmter.
Auch mit meinem Job in einem Think Tank ließ sich das Digitalsemester gut vereinbaren. In den Präsenzsemestern ist die Abstimmung zwischen Studium und Lohnarbeit immer ein größerer Balanceakt.
An manches musste ich mich in den Zoom-Kursen natürlich trotzdem gewöhnen. Wenn ich früher eine kurze Frage während der Vorlesung hatte, konnte ich einfach meine:n Tischnachbar:in fragen. Dafür musste ich aber erst einmal einen digitalen Ersatz finden. Letztendlich habe ich die Chat-Funktion von Zoom genutzt, den Schritt musste ich aber erst einmal wagen.
Dass das Digitalsemester für Studierende und Lehrende gleichermaßen herausfordernd war, hatte etwas Verbindendes: Plötzlich haben sich Dozierende auch etwas von Studierenden erklären lassen, etwa wie sie ihren Bildschirm freigeben können. Das war eine schöne Ebene.
Zu meiner mündlichen Prüfung empfing mich meine Professorin mit den Worten: Schön, dass wir uns mal live sehen. Die Verbindung wäre ohne das Digitalsemester vielleicht weniger stark gewesen.Protokoll: Jannis Hartmann
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