Nach der Explosion in Beirut: Angst vor Hunger – und Korruption

Nur langsam erholt sich die libanesische Hauptstadt. Es fehlt vor allem an Strom, Essen und Unterkünften. Doch es gibt auch große Solidarität.

Präsident Macron trägt eine Mundschutzmaske und steht in einer Menschenmenge

Der französische Präsident Emmanuel Macron bei seinem Besuch in Beirut am Donnerstag Foto: Thibault Camus/ap

BEIRUT taz | Die Glassplitter sind von den Straßen gefegt, gebrochene Bilderrahmen, Plastikstühle, Blumen und Schutt liegen zu Türmen auf den Gehwegen. Langsam erholt sich Beirut von der Explosion am Hafen, durch die am Dienstagabend mindestens 135 Menschen starben und rund 5.000 verletzt wurden.

Auf den Straßen räumen Geschäftsbesitzer ihre Läden auf, entstauben oder entfernen zerbrochene Scheiben, während in den Wohnhäusern Türschlösser repariert oder verzogene Türen geradegerückt werden. Während die einen mit zerbrochenen Fensterscheiben leben, hat es bei anderen Treppenhäuser oder Balkone eingerissen, Türen liegen zwischen Schutt und machen Wohnungen unbewohnbar.

Menschen ziehen mit gepackten Taschen durch die Viertel, die es am schlimmsten betroffen hatte: Das armenische Viertel Bourj Hammoud, Mar Mikhael, Ashrafieh und die Innenstadt. Viele sind zunächst bei Verwandten oder Bekannten untergekommen, einige abseits der Hauptstadt Beirut, in den Bergen oder kleineren Städten, in denen sie durchatmen können.

Rettungsteams durchforsteten auch am Donnerstagmittag die Trümmer noch nach Überlebenden. Andere suchten in den sozialen Medien nach ihren Angehörigen – noch immer werden dutzende Menschen vermisst, wie das Gesundheitsministerium mitteilte.

Die Not der Krankenhäuser

Die Situation in den Krankenhäusern stabilisiert sich nur langsam. Das libanesische Rote Kreuz teilte mit, dass 12 Krankenhäuser in Beirut und Umgebung mit medizinischer Notfallversorgung ausgerüstet wurden, Verwundete jedoch auf Parkplätzen behandelt werden mussten. Viele Ärzt*innen und Pfleger*innen arbeiteten bis tief in die Nacht, um die Versorgung zu garantieren.

Diverse Krankenhäuser wurden durch die Explosion beschädigt, darunter das nahe am Hafen gelegene Sankt-Georg-Krankenhaus. Dort stürzten die Wände ein und töteten Krankenpfleger*innen. Die Scheiben des Krankenhauses sind komplett zersprungen. Das Krankenhaus bat um Spenden von Stromgeneratoren, da Ärzt*innen mit Lampen ihrer Handys auskommen mussten.

Beirut leidet seit dem Bürgerkrieg an einem maroden Energiesektor, gelenkte Stromausfälle werden seit jeher mit privaten Generatoren überbrückt. Diese müssen mit Benzin betrieben werden, das dem Land aufgrund der Wirtschaftskrise ausgeht.

Medizinisches Personal, das mit der Wirtschafts- und Coronakrise im Juli aus dem renommierten Uniklinikum der Amerikanischen Universität entlassen wurde, meldete sich dort freiwillig, um Verletze zu versorgen. Jugendliche der Fridays-for-Future-Bewegung und anderen nichtpolitische Gruppen schlossen sich zusammen, kochten, halfen Wohnungen aufzuräumen. Hilfsorganisationen wie die Caritas und lokale NGOs verteilten Wasserflaschen an Betroffene.

Hilfe durch die Luft

Die Angst vor einer Lebensmittelknappheit ist groß. Das libanesische Pfund verlor in den vergangenen Monaten rund 80 Prozent an Wert. Die Regale in den Supermärkten waren zwar gefüllt – die Menschen konnten sich das Essen aber nicht leisten. Der Libanon ist auf Importe von Weizen, Benzin und Medizin angewiesen.

Doch nun klafft ein Krater mit 200 Meter Durchmesser im Hafen, der unbenutzbar ist. Viele Länder wie der Iran, die Golfstaaten, Deutschland und Frankreich haben Hilfslieferungen per Flugzeug angekündigt.

Während Hunderte Menschen in der Nähe der Innenstadt die Straßen fegten, fuhr Frankreichs Präsident Macron am Donnerstagmittag durch die Menge. Wie das Video eines lokalen Journalisten auf Twitter zeigt, rief ihm die Gruppe zu: „Die Menschen wollen den Sturz des Regimes.“

Macrons Garantie

Der Slogan stammt von den arabischen Protesten im Jahr 2011 und wurde bei den Massenprotesten im Oktober 2019 im Libanon benutzt. Die Protestierenden gingen damals gegen ihre politische Elite auf die Straße, der sie Korruption und Missmanagement vorwerfen. Der Hafen sowie die Zollbehörde sind einige der korruptesten und lukrativsten Institutionen des Libanons. Zahlreiche Gruppierungen, Politiker und die Hisbollah haben dort Einfluss.

Davor, dass Gelder durch Korruption auch in dieser Zeit entzogen werden könnten, warnte auch Macron bei seinem Besuch. Vor der wütenden Menschenmenge in Beirut versprach er, dass die französische Hilfe nicht in korrupte Hände fließen werde. „Ich garantiere euch das“, sagte Macron.

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