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Kolonial entgleist

Das Brinkmann-Mosaik im Bahnhof glorifiziert Kolonialismus und eine Firma mit NS-Verstrickungen. Macht nix, so das Verkehrsministerium, die Bahn erinnere ja an andere Opfer

Das Bahnhofs-Mosaik taucht Kolonialismus ins goldene Licht – und macht Werbung für die Firma eines überzeugten Nazis Foto: Lotta Drügemöller

VonBenno Schirrmeister

Nicht, dass nachher jemand behauptet, Enak Ferlemann (CDU) kennte die Regionalgeschichte nicht: Die Rolle der Bremer Zigarettenfirma Brinkmann im Nationalsozialismus sei bekannt, hat der Staatssekretär im Verkehrsministerium der Bundestagsabgeordneten Kirsten Kappert-Gonther auf eine Anfrage geantwortet. Man weiß, dass der damalige Brinkmann-Chef Hermann Ritter ein Vollnazi war, dass er auf Zwangsarbeit setzte und die Rekolonialisierung forderte.

Dass an maximal prominenter Stelle im Bremer Hauptbahnhof die Tabakafirma glorifiziert wird, findet Ferleman hingegen gar nicht anstößig. Und beim Konzern der Deutschen Bahn findet man es sogar toll: „Unübersehbar thront in der Empfangshalle“, so euphorisch formuliert es im „Bahnhofs-Steckbrief“ die Unternehmens-PR-Seite „das Wandmosaik.“ Über dessen Entstehungszeit – „es stammt aus den 1950er-Jahren“ – und Herkunft – von einer Tabakfirma gestiftet – wird man dort korrekt informiert, auch darüber, dass es vor 20 Jahren frisch saniert wurde.

„Seit dem zeigt es sich wieder in seiner ursprünglichen Pracht“, so die Werbe-Seite weiter. Kein Wort über die Verbrechen, in die Brinkmann involviert war, keines über die Zwangsarbeit und keines über die koloniale Symbolik, plakativ vom Illustrator und Grafiker Alexandre Noskoff aus Belgien gestaltet. Das Königreich erhielt damals noch mit einem extrem gewalttätigen Kurs seine Herrschaft im Kongo aufrecht.

Wo Rauch ist, gibt‘s Feuer

Hermann Ritter kaufte 1900 die kleine Tabakfabrik Brinkmann - bis 1933 wurden aus 16 Mitarbeiter*innen 4.000. Im Krieg waren Brinkmanns Zigaretten kriegswichtig, die Firma beschäftigte Zwangsarbeiter.

Als Mitglied der deutsch-nationalen DNVP wurde Ritter 1933 als bürgerliches Aushängeschild Handelssenator und später Staatsrat im NSDAP-geführten Bremer Senat; später war er selbst NSDAP-Mitglied und Förderndes Mitglied der SS.

Als das Mosaik in den 50ern entstand, war es keinesfalls historisch: Brinkmann produzierte erfolgreich, unter anderem die Zigarettenmarke Lux.

Nicht der einzige Ort, an dem Ritter sich ins Stadtbild schrieb: Es gibt die Hermann-Ritter-Straße in Woltmershausen; von 1977 bis 1988 war ein Seenotrettungskreuzer nach ihm benannt.

„Wir brauchen einen kritischen Umgang mit kolonialen Spuren im öffentlichen Raum“, fordert nun Kappert-Gonther. Es sei wichtig, „die koloniale Amnesie zu überwinden“ und das betreffe „auch das Wandmosaik im Bremer Hauptbahnhof“. Wie wenig diese Botschaft in der Bundesregierung angekommen ist, belegt die schriftliche Antwort des Verkehrsministeriums auf die Frage der Grünen-Politikerin. Denn dort wird auf die unscheinbare Tafel verwiesen, die 1991 „am Bahnhof zum Gedenken an die Opfer der Deportationen“ angebracht worden sei. Das stimmt, ist aber selbst in einer wenig trennscharfen Betrachtung weder mit der Zwangsarbeit für HB in der Ukraine noch mit der Enteignungs- und Ausbeutungspolitik in den südamerikanischen Tabakstaaten zu verwechseln, die vom Wandbild gefeiert werden „in seiner ursprünglichen Pracht“.

Es sei „verwunderlich, wie wenig historisches Bewusstsein die Bundesregierung hat“, kommentiert Kappert-Gonther: An den Deutschen Überfall auf die Sowjetunion und die Deportation Bremer Jüd*innen im Nationalsozialismus zu erinnern, habe mit dem Mosaik-Problem nicht wirklich etwas zu tun. „Sowohl Bremens Rolle im Kolonialismus als auch die Rolle der Brinkmann AG im Nationalsozialismus müssen sichtbar gemacht werden“, fordert sie. Schließlich seien Bremen und seine Unternehmen beteiligt gewesen an Gewaltherrschaft und dem Raub von Kulturgütern. „Vielen Menschen ist das gar nicht bewusst, weil es zu wenig Informationen darüber gibt“.

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