Andreas Speit Der rechte Rand: Warum es in Hamburg weiterhin keine Ermittlungen zum NSU gibt
Auch in dieser Legislaturperiode wird es in Hamburg keinen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) geben, der die Umstände des Mordes an Süleyman Taşköprü aufklärt. Am 27. Juni 2001 töteten die NSU-Mitgründer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Taşköprü im Gemüsegeschäft der Familie in der Bahrenfelder Schützenstraße 27 durch Kopfschüsse. Der 31-Jährige war der dritte Tote in einer Serie von zehn Morden des NSU.„Er wollte noch was sagen, aber er konnte nicht mehr. Er starb in meinen Armen“, sagte sein Vater Ali Taşköprü.
Seit der Selbstenttarnung des NSU-Kerntrios Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe am 4. November 2011 läuft die Diskussion um einen PUA in der Hansestadt. Im Koalitionsvertrag gehen SPD und Grüne auf das Thema ein, erklären: „Der NSU-Komplex ist in zahlreichen Untersuchungsausschüssen auf Bundes- und Landesebene aufgearbeitet worden; inzwischen liegt auch das Urteil zum NSU Prozess vor“. Über das Wort „aufgearbeitet“ darf gestritten werden: Der Regierungskoalition scheint bewusst zu sein, dass der Komplex nicht ausermittelt oder gar „aufgearbeitet“ ist. Denn anschließend räumen sie ein: „Auch der Mord an Süleyman Taşköprü wirft bis heute Fragen auf und hat Narben in unserer Stadt hinterlassen“.
Auf Nachfrage der taz, was diese Aussagen konkret für einen PUA bedeuten, konkretisiert der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion Sören Schumacher: „Im Innenausschuss der Bürgerschaft haben wir in mehreren intensiven Sitzungen die Schreckenstaten des NSU aufgearbeitet, die Rolle der Polizei analysiert und daraus Leitlinien für unsere Politik abgeleitet, sodass ein weiterer Ausschuss keine zusätzlichen Erkenntnisse bereithält.“
Sina Imhof, innenpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion, sagt, dass „der Hass und die Grausamkeit der NSU-Morde bis heute nicht nur die Angehörigen der Opfer“ bewege. „Die Geschehnisse in Hamburg“ seien aber „im Innenausschuss der Bürgerschaft intensiv aufgearbeitet“ worden, doch: Offen gebliebene Fragen, die „insbesondere für die Angehörigen belastend sind, sowie neue Informationen müssen auch zukünftig in geeigneter Form überprüft werden“. Ein Schlussstrich könne nicht gezogen werden.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Aus den regierenden Parteien scheint jedoch kein Impuls mehr zu kommen, aufzuklären wie die Täter ihr Opfer an der Elbe fanden oder welche Kameraden vor Ort mit dem Trio vernetzt waren. Noch am Tattag sagte Ali Taşköprü der Polizei, dass er auf dem Weg zum Laden zwei Männern begegnet sei: groß, schlank, zwischen 25 und 30 Jahre alt und Deutsche. Eine der vielen Spuren, die nie verfolgt wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen