: „Ich habe jede Familie einmal in der Woche angerufen“
Die Lehrerin Maren Gabrisch hat versucht, den Kontakt zu ihren Schülern zu halten
Maren Gabrisch*47, unterrichtet in einer niedersächsischen Kleinstadt an einer Grundschule.
*Name geändert
Protokoll Nadine Conti
Ich unterrichte eine zweite Klasse an einer Grundschule in einer Kleinstadt, keine Brennpunktschule, eher Speckgürtel – obwohl es ein paar Kinder aus ärmeren Familien gibt. Die Ansagen aus dem Kultusministerium und von der Schulbehörde kamen für uns immer sehr kurzfristig. Es gab kaum Gelegenheit, sich zusammenzusetzen und zu überlegen, wie machen wir das jetzt.
Anfangs – also in den Wochen vor den Osterferien – galt das ja alles noch als Schulausfall. Aufgaben waren freiwillig – sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer. Die Ansage, dass es ab jetzt ins Homeschooling gehen soll, kam – meine ich – erst am Ende der Osterferien. Unsere Schule ist allerdings digital ziemlich schlecht aufgestellt, also hat jeder für sich angefangen zu überlegen: Okay, wie kriegen wir das denn jetzt am besten organisiert?
Auch von der Schulleitung gab es da keine Vorgaben, nur ein paar Beispiele von zwei Kolleginnen, die sich da schon einen Kopf gemacht hatten. Da hätte ich mir ein etwas koordinierteres Vorgehen gewünscht, aber das ist vielleicht auch ein Problem an unserer Schule.
Ich habe mir dann erst einmal über die Elternvertreterin und die von ihr organisierte Whatsapp-Gruppe (ich selbst darf das ja nicht) die E-Mail-Adressen der Eltern besorgt. Dann habe ich Wochenpläne für die Kinder erstellt. Auf denen konnten sie auch abhaken, was sie schon geschafft hatten, und eintragen, ob sie das jetzt leicht, mittel oder schwer fanden. Ich habe die Aufgaben auch differenziert, also individuell angepasst.
Beim ersten Mal bin ich herumgefahren und habe die Aufgaben zusammen mit den ganzen Schulmaterialien, also Büchern und Arbeitsheften, die noch in der Schule waren, verteilt. Und dann habe ich jede Familie einmal in der Woche angerufen. Ich hatte vormittags eine feste Telefonzeit, von 9 bis 11 Uhr. Wann sie jeweils dran sind, habe ich den Familien mit dem Wochenplan vorher mitgeteilt – und dann habe ich die systematisch der Reihe nach abtelefoniert.
Manchmal habe ich mehr mit den Kindern geredet, manchmal mehr mit den Eltern – je nachdem, wie der Bedarf war. Da ging es dann darum, ob es Fragen zu den Aufgaben gibt, aber auch, wie es insgesamt so läuft. Ich erinnere mich an eine Woche, in der ich fast nur mit den Eltern geredet habe, weil die alle so fix und fertig waren, die konnten nicht mehr.
Das ist mit Sicherheit etwas, was auch bleibt aus dieser Zeit – dass ich die Familien noch einmal ganz anders kennengelernt habe und dadurch auch die Verbindung zu den Schülern enger und vertrauter geworden ist. Das hat natürlich nicht jeder Kollege so gemacht. Mir war es wichtig, in Kontakt zu bleiben. Damit die Kinder auch wissen, das läuft hier jetzt weiter, auch wenn sie nicht in der Schule sind.
Ich hätte auch einfach nur eine Sprechstunde anbieten können und es den Eltern überlassen, ob sie sich melden. Aber das war mir zu locker. Es gab zum Beispiel einen Jungen, der kommt aus einer Großfamilie und die Eltern sprechen kaum Deutsch. Da musste der große Bruder, der aber schon arbeitet, abends mit allen jüngeren Geschwistern noch die Aufgaben durchgehen. Da habe ich dann nach zwei Wochen dafür gesorgt, dass der in die Notbetreuung kam.
Andere Kollegen haben dafür mehr online gearbeitet. Aber an der Grundschule, wo viele Kinder ja noch gar nicht gut genug lesen können, um sich da großartig Dinge selbst zu erarbeiten, hat das natürlich auch seine Grenzen.
Wenn es noch einmal zu einer Schulschließung käme, würde ich aber wohl auch digitaler arbeiten. Jetzt haben wir so langsam die erforderliche Ausstattung an Lernplattformen, und auch die ersten Erfahrungen gesammelt. Bei den Schülern gibt es eigentlich nur zwei, die damit Probleme hätten – ein Kind, bei dem die technische Ausstattung fehlt, und eines, bei dem die Internetverbindung zu lahm ist. Da müsste man sich dann eben etwas einfallen lassen.
Jetzt sind die Kinder aber erst einmal froh, wieder in der Schule sein zu dürfen. Den Kontakt zu ihren Freunden haben sie am meisten vermisst.
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