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Statistik zu rechter Gewalt 2019Fünf Gewaltverbrechen täglich

Seit 2010 haben sich die Zahlen verdoppelt, so die Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt. Die Bedrohung habe sich „extrem verschärft“

Der Attentäter von Halle im Oktober 2019 Foto: Amateurvideo/reuters

Berlin taz | Es waren vor allem zwei Anschläge, die 2019 für Aufsehen gesorgt haben: Beim vereitelten Anschlag auf eine Synagoge in Halle starben im Oktober zwei Menschen. Und schon im Juni war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke ermordet worden.

Es sind zwei von 1.347 rechten, rassistischen oder antisemitischen Gewalttaten in mehreren Bundesländern, die der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) vergangenes Jahr registrierte. Das zeigt die Statistik, die der VBRG am Dienstag in Berlin vorstellte.

Im Vergleich zum Vorjahr seien die Zahlen zwar um 10 Prozentpunkte gesunken, so der VBRG. Die Bedrohungslage habe sich aber trotzdem extrem verschärft, sagte Judith Porath, VBRG-Vorstandsmitglied und Geschäftsführerin der Opferperspektive Brandenburg.

Denn seit 2010 hätten sich die Zahlen verdoppelt. Von den jetzt registrierten Taten waren außerdem 80 Prozent Körperverletzungen. Gerade bei den besonders schwerwiegenden Taten ist eine Zunahme zu beobachten. Und auch die rassistisch motivierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist um 14 Prozent gestiegen. „Die Angst bei den Betroffenen wächst“, sagte Porath.

Den Beratungsstellen fehlt das Geld

Bei der Präsentation der Zahlen war am Dienstag auch Newroz Duman dabei, Traumapädagogin und Sprecherin der Initiative 19. Februar aus Hanau, die sich für die Opfer des Terroranschlags aus diesem Jahr einsetzt. Der Angriff auf eine Shisha-Bar in dem Ort war der bisher heftigste Ausbruch rechtsextremer Gewalt im laufenden Jahr, elf Menschen starben dabei. Duman sagte: „Rassismus finden wir nicht nur am Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft und in Institutionen.“

Die Zahlen der VBRG stammen aus lediglich acht Bundesländern – Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Zwar gibt es in allen Bundesländern Beratungsstellen, doch nur die genannten acht haben die Kapazitäten zur systematischen Erfassung von Gewalttaten. In den meisten Fällen fehlt den Beratungsstellen schlicht das Geld.

Zwischen den Zahlen der Beratungsstellen und denen der Behörden gibt es dabei erhebliche Diskrepanzen. Bei zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen werden deutlich mehr Fälle gemeldet, als der Polizei bekannt sind. Judith Porath nannte diese weißen Flecken am Dienstag ein „Wahrnehmungsdefizit“.

Für die politikwissenschaftliche Einordnung der Zahlen der VBRG war am Dienstag Professor Gideon Botsch zuständig, der Leiter der Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus am Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam. „Das Fatale ist die Bandbreite“, sagte er. Von Bürgerwehren bis Terrorzellen ginge rechte Gewalt in Deutschland von vielen verschiedenen Akteuren aus. Besorgniserregend sei vor allem, dass auch das gesellschaftliche Klima unbarmherziger werde.

Er verwies unter anderem auf die Proteste von sogenannten Corona-Skeptikern in den letzten Wochen und deren „latenten Rassismus“. Hier spielten Verschwörungstheorien eine große Rolle. So werde etwa von einer Elite gesprochen, ein Motiv, das deutlich antisemitische Klischees bediene. Botsch sagte: „Das rechte Spektrum ist ein Motor der Bewegung.“

Im Zuge der Pressekonferenz veröffentlichte der VBRG am Dienstag auch einen offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, in dem er mehr Unterstützung für die Opfer von rechter Gewalt fordert. In dem von mehr als 50 prominenten VertreterInnen unterschriebenen Brief heißt es: „Die Angegriffenen stehen nach den Anschlägen buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz – und werden mit den Folgen allzu oft alleine gelassen.“

Der Verband möchte auf die oft mangelnde materielle Unterstützung von Geschädigten aufmerksam machen und fordert die Bundesregierung dazu auf, die Lücke bei den staatlichen Entschädigungsleistungen zu schließen. „Es geht nicht nur um Reden, sondern um Konsequenzen“, so Newroz Duman.

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