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Es wird eng

Nach der Zwangspause durch Corona nimmt nun auch der Verkehr mit Bahn, Fernbus und Flieger wieder Fahrt auf. Auf Abstandsregeln muss dabei mitunter verzichtet werden

So aseptisch wie in einem Operationssaal soll es dank Luftfilter in der Flugkabine sein. Sicher? Foto: Joe Giron/redux/laif

Von Anja Krüger

Die Deutsche Bahn, Fluggesellschaften und Fernbusse fahren in Kürze ihren Betrieb wieder hoch. Dann gelten zwar an Bahnhöfen, Flughäfen und Urlaubsorten die vom Robert-Koch-Institut empfohlenen Abstandsregeln von 1,5 Metern – in Zügen, Fliegern und Fernbussen aber nicht.

Wegen der Coronakrise hatte die Deutsche Bahn ihr Angebot auf 75 Prozent zurückgefahren. Weil die Auslastung im Fernverkehr nur bei rund 10 bis 15 Prozent lag, war das Einhalten von Abstandsregeln bislang kein Problem. Das ändert sich jetzt. „Wir haben zunehmend mehr Fahrgäste an Bord“, sagte Bahn-Vorstand Berthold Huber bei einer Telefonkonferenz am Montag. Die Zahl der Reisenden liegt zurzeit bei etwa 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Jetzt soll der Zugverkehr wieder mehr werden. Spätestens Mitte Juni sollen alle europäischen Länder ans Netz angeschlossen sein. Zu Pfingsten wird die Deutsche Bahn wieder Verbindungen in die Berge und an die See anbieten. Der ICE von Berlin ins Ruhrgebiet fährt bereits wieder mit zwei Zugteilen, auf anderen Strecken soll das ebenfalls erfolgen. So sollen mehr Sitzplätze zur Verfügung stehen, damit sich die Fahrgäste im Zug verteilen können. Reisende sollen eine Maske tragen. Für die Hygiene in den Zügen sorgen 4.300 MitarbeiterInnen, die mit der zusätzlichen Reinigung der Züge beschäftigt sind.

Eine Reservierungspflicht gibt es nicht. Das Bahnmanagement habe sich dagegen entschieden, sagte Huber. „Damit würden wir den Teufel mit dem Belzebub austreiben“, sagte er. Denn mit einer Reservierungspflicht wären die Züge für PendlerInnen nicht mehr nutzbar. Sie würden auf andere Züge ausweichen, weil sie mit ihren Zeitkarten reservierungspflichtige Fernverbindungen nicht nutzen dürften. Das würde dazu führen, dass die Ausweichzüge schnell überfüllt wären. „Wir müssen wahnsinnig aufpassen, dass scheinbar Naheliegendes das System nicht verschlechtert“, sagte Huber.

Die Bahn setze auf eine „kluge Auslastungssteuerung“. Im Navigator der Bahn, das ist eine personalisierte App für den Kauf von Fahrkarten und für Verbindungsinformationen, soll in Kürze angezeigt werden, wenn Züge zu 50 Prozent ausgelastet sind. „Dann können Fahrgäste ausweichen“, sagte Huber. So wolle die Bahn die Auslastung über die gesamte Flotte zu steuern. Eine Feinsteuerung bei der Sitzplatzvergabe gibt es aber nicht (siehe rechts). Es werde immer wieder zu Situationen kommen, in denen die Abstandsregeln im Zug nicht eingehalten werden können, sagte er.

Dennoch, es sei bislang kein einziger Fall bekannt, bei dem sich ein Reisender im Zug mit Corona infiziert habe, sagte Huber. Auch die Klimaanlagen seien keine Gefahrenquelle, im Gegenteil. Sie würden über einen regelmäßigen Luftaustausch sorgen. „Deswegen ist das Ansteckungsrisiko im Zuge eher gering“, sagte er. „Bei der Sicherheit unserer Fahrgäste haben wir keine Bedenken.“ Auch Zugbegleiter seien deutlich seltener von einer Corona-Infektion betroffen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Spezielle HEPA-Filter wie in Flugzeugen, die angeblich Viren und Bakterien aus der Luft holen können, setzt die Bahn zwar nicht ein. „Wir haben standardisierte Klimaanlagen, die wir nicht ohne Weiteres austauschen können“, sagte Huber. Für einen Austausch wären langwierige Zulassungsprozesse nötig.

Flugzeuge verfügen über HEPA-Filter. Die sorgen dafür, dass die Luft so sauber ist wie in einem Operationssaal, sagte Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Lufverkehrswirtschaft. „Die Luft wird alle drei Minuten komplett umgeschlagen und permanent gereinigt.“ Anders als früher arbeiten die Klimaanlagen jetzt auch vor dem Start und nach dem Landen. KritikerInnen bezweifeln allerdings, dass die Anlagen auch Viren filtern können.

„Wir müssen wahnsinnig aufpassen, dass scheinbar Naheliegendes das System nicht verschlechtert“

Berthold Huber, Bahnchef zu Corona-Maßnahmen in der Bahn

Ab Juni wollen deutsche Fluggesellschaften ihren Betrieb wieder aufnehmen, nachdem sie in den vergangenen Wochen kaum noch geflogen sind. An Bord wird eine Maskenpflicht gelten, offene Speisen und Getränke gibt es nicht. Mehr als 100 Staaten hatten Reisebeschränkungen erlassen, viele heben sie jetzt schrittweise auf. Die deutschen Airlines fliegen im Juni 30 europäische Ziele wieder an, teilte von Randow mit. Auch 15 interkontinentale Ziele stehen wieder auf dem Programm, etwa Indien, USA oder Südafrika.

Reiseanbieter und Transportbranche haben gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium Schutzmaßnahmen entlang der Verkehrskette abgestimmt, sagte Dirk Inger vom Deutschen Reiseverband. In Reisebüros müssen KundInnenbesuche gestaffelt und Abstandsregeln eingehalten werden. Beim Check-in am Flughafen sollen PassagierInnen bestätigen, dass sie keine gesundheitlichen Einschränkungen haben, die für andere Reisende ein Problem sein könnten. In den Wartezonen an Flughäfen werden Sitzplätze gesperrt, damit Reisende nicht nebeneinander sitzen – was im Flugzeug aber der Fall ist.

Bei Bussen, die Urlauber an Zielorten zum Hotel bringen, sind an Türen Desinfektionsmöglichkeiten vorhanden. In Hotels wird es keine Buffets, sondern Tischbedienung geben, Spa- und Fitnessbereiche werden nur eingeschränkt nutzbar sein. „Das wird trotzdem Urlaub sein“, sagte Inger. Er geht davon aus, dass die Zahl der UrlauberInnen mit Flugreise in diesem Jahr gering sein wird. „Das ergibt Komfortgewinne für die, die reisen“, sagte er. „Es ist nicht so voll und in den Hotels wird man sich intensiv um die Gäste kümmern.“

Der Fernbusreisen-Anbieter Flixbus wird ab Donnerstag wieder fahren. Zunächst werden 50 Ziele innerhalb Deutschlands angeboten, sagte eine Sprecherin. In den Bussen und an Haltestellen besteht Maskenpflicht, beim Einstieg gibt es die Gelegenheit, die Hände zu desinfizieren. Die Busse verfügten über ein modernes Belüftungssystem. „In Deutschland ist es nicht verpflichtend, Sitzplätze freizuhalten“, sagte sie. Deshalb sehe Flixbus das auch nicht vor. „Theoretisch kann ein Bus voll besetzt sein.“

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