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Viele Fragezeichen

Absagen, verschieben oder ins Internet: Die Coronakrise trifft alle, aber nicht alle gleich. Wie Jazz- und Kinofestivals, Theater, Galerien und Museen mit den Umständen umgehen

Von Joachim Göres

Rhythm saves the world – das scheint das passende Motto für ein Jazzfestival in Zeiten von Corona zu sein. Doch sicherheitshalber haben die Veranstalter der Hildener Jazztage die für Juni geplante Veranstaltung auf den November verschoben. Sie hoffen, dass Jazzgrößen wie die WDR Big Band, Jin Jim oder Nighthawks, die für Juni ihre Zusage gegeben hatten, auch vom 16. bis 22. November ihren Weg in die kleine Stadt zwischen Düsseldorf und Leverkusen finden. Hilden gehört damit zu den wenigen Jazzfestivals in Deutschland, die in diesem Jahr noch stattfinden sollen – die meisten wurden ganz abgesagt (siehe www.jazzpages.de/jazzfestivals).

Auch an einen regulären Kinobetrieb ist derzeit nicht zu denken. Ein Grund, warum das Internationale Kurzfilm Festival Hamburg sowie das damit verbundene Mo&Friese Kinder Kurzfilm Festival Hamburg von Anfang Juni in den Herbst verschoben wurde. Die Kinderfilme sollen nun vom 1. bis 6. September in der Hansestadt gezeigt werden, die Kurzfilme für Erwachsene sind vom 6. bis 8. November geplant – alles ohne Gewähr, wie die Veranstalter betonen (Aktuelles unter www.festival.shortfilm.com).

Schlecht sieht es derzeit um die Theater aus. Darunter leiden auch Kabarettbühnen. Das Unterhaus Mainz hat auf unbestimmte Zeit geschlossen (www.unterhaus-mainz.de). Ebenso das Theater am Küchengarten in Hannover (www.tak-hannover.de). Dort präsentiert man immer sonntags im Internet per Video-Livestream einen Kabarettisten und hofft auf Spenden des Publikums. „Das läuft besser als gedacht. Gestern hatten wir 200 Zuschauer, und die geben erstaunlich viel Geld“, sagt TAK-Geschäftsführer Jan-Hendrik Schmitz.

Dann fügt er hinzu: „Das ist aber nur ein kleines Taschengeld für uns. Zur neuen Saison im September muss der Betrieb wieder starten. Falls wir dann nicht öffnen dürfen, bekämen wir enorme Probleme.“ Von den Schließungen sind neben den Veranstaltern vor allem die Künstler betroffen. Die geben sich erfinderisch: Das Duo „Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie“ lädt seine Fans auf der Homepage zu einer Tasse Kaffee ein – sie tragen satirische Geschichten vor, für die das Publikum gebeten wird, vier Euro zu zahlen, damit sich die Künstler einen Kaffee leisten können.

Fast alle Freilichttheater haben für dieses Jahr ihre Aufführungen gestrichen – Ausnahmen sind bisher die Freilichtbühnen Porta Westfalica, Hornberg und Greven-Reckenfeld (www.freilichtbuehnen.de). Auch viele öffentliche Theater bieten immer im Sommer Open-Air-Veranstaltungen – die fallen in diesem Jahr meist aus. So wurde das auf dem Magdeburger Domplatz geplante Musical „Rebecca“ abgesagt. Bis mindestens zum 27. Mai bleiben in Sachsen-Anhalt wie auch anderswo in der Bundesrepublik alle Theater geschlossen (Aktuelles unter www.buehnenverein.de). Noch hofft das Magdeburger Ensemble, in dieser Spielzeit zumindest mit kleineren Produktionen auf die Bühne zurückzukehren (www.theater-magdeburg.de). Nach jetzigen Planungen stattfinden soll dagegen das Kindertheaterfestival „Hart am Wind“ vom 8. bis 14. Juni in Braunschweig (www.festival-hartamwind.de).

Günstiger ist die gegenwärtige Situation für eine Kunstausstellung unter freiem Himmel. In Chemnitz haben sich 20 internationale Künstler mit der sächsischen Industriestadt auseinandergesetzt – mit ihren Skulpturen, Installationen und Performances wollen sie das Gespräch über die gesellschaftlichen und baulichen Veränderungen fördern. Veranstalter sind die Kunstsammlungen Chemnitz, deren Ausstellungshaus seit Anfang Mai wieder besucht werden kann – mit Mundschutz und auf einem vorgegebenen Rundgang. Auf Führungen wird derzeit verzichtet (www.kunstsammlungen-chemnitz.de).

Von besonderer Aktualität sind wegen der Corona­krise plötzlich zwei Ausstellungen nach der Wiedereröffnung der Museen. Warum sehen öffentliche Spielplätze so aus wie sie aussehen, welche Konzepte und Ideen gab und gibt es in aller Welt für die Gestaltung von Spielgeräten und -flächen – darum geht es bis zum 21. Juni in der Ausstellung „The Playground Project“ im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt am Main. Ob die wochenlange Schließung der Spielplätze zu einer größeren Wertschätzung dieses Ortes bei den Erwachsenen führt?

Pest in der Verlängerung

Die Pest ist eine Seuche, welche die Menschheit seit Langem begleitet. Angesichts der aktuellen Coronapandemie hat das Interesse an der Geschichte der Seuchen zugenommen und das Museum für Archäologie Herne hat darum seine Sonderausstellung „Pest!“ unter Sicherheitsauflagen bis zum 15. November verlängert.

Junge Museumsbesucher werden jedenfalls zum Toben und Spielen aufgefordert, was sie sich nicht zweimal sagen lassen – man hört Kinder und Jugendliche juchzen und schreien, wenn sie sich in einer Tunnelrutsche zunächst krabbelnd aufwärts bewegen und dann abwärts sausen. So war es zumindest vor Corona – jetzt dürfen die Spielgeräte aus Hygienegründen nicht mehr benutzt werden. Für alle Ausstellungen im Architekturmuseum gilt derzeit: Audioguides werden nicht mehr verteilt, im Museumsshop kann man nicht mehr in Ansichtsexemplaren von Büchern und Katalogen blättern (www.dam-online.de).

Zumindest eine Ausstellung profitiert von der Coronakrise: Die Ausstellung „Pest!“ im Museum für Archäologie im westfälischen Herne war bis zum 10. Mai geplant, nach der Wiedereröffnung läuft sie nun auch wegen des gesteigerten Interesses bis zum 15. November. Während der wochenlangen Schließung konnte man online an Kuratorenführungen teilnehmen (www.pest-ausstellung.lwl.org) – jetzt kann man sich vor Ort aus Judenpogromen stammenden wertvollen Schmuck oder Ratten als Überträger der Pest anschauen, muss aber aus Sicherheitsgründen auf die Hörstationen verzichten. Bundesweit haben viele Museen ihre laufenden Sonderausstellungen verlängert – auch, weil die für Sommer geplanten neuen Ausstellungen mit Exponaten von Leihgebern aus dem Ausland wegen Transportproblemen nicht realisiert werden können.

Welche Zusammenhänge zwischen der Pest und dem Coronavirus sieht die Historikerin und Herner Ausstellungskuratorin Sandra Maus? „Die Vorstellungen von Hygiene haben sich enorm gewandelt. Heute ist ein viel besserer Schutz möglich. Dabei wird zum Teil auf Mittel von früher zurückgegriffen – die Quarantäne stammt aus der Zeit der Pest. Geblieben ist auch die Unsicherheit: Je näher eine ansteckende Krankheit kommt, umso mehr Fragezeichen tauchen auf.“

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