petition der woche
: Berlin will nicht würdigen, was eine Architektin der Moderne entwarf

Anlass der Petition Die Poelzig-Villa in Berlin soll abgerissen werden.

Das wollen die Initiatoren Dass das Haus unter Denkmalschutz gestellt wird.

Das wollen sie nicht Dass Geschichts­vergessenheit opportun ist.

Die Poelzig-Villa im Berliner Westend ist ein Beispiel für die Architektur der Weimarer Zeit. Jetzt soll sie abgerissen werden. Auf dem Grundstück sollen mehrere Wohneinheiten entstehen. Denkmalschutz wird dem Gebäude verweigert. Dagegen gibt es Widerstand. Mit einer Petition wird öffentlich, dass Denkmalschutz mitunter unflexibel ist.

Das Berliner Westend, um die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts im Westen Berlins angelegt, sollte wie die Londoner Namensschwester eine Villengegend werden. Und wurde es auch, aber nicht nur. Der Funkturm, das Olympiastadion, die Waldbühne befinden sich ebenfalls in diesem Stadtteil.

Viele aus der Berliner Kunst- und Bildungselite wohnten in der Weimarer Zeit im Westend. Wer Architektur von damals sucht, wird dort fündig. Ende der 1920er Jahre bauten Architekten des Bauhauses und der Neuen Sachlichkeit Villen in dem zu Charlottenburg gehörenden Kiez. Das Georg-Kolbe-Museum ist so ein Beispiel. Auch das Haus des Rundfunks, das der Architekt Hans Poelzig (1869–1936) entwarf, ist im Westend.

Poelzig lebte mit seiner zweiten Frau Marlene Moeschke-Poelzig (1894–1985) in der Tannenberg­allee 28, ebenfalls Westend. Das Haus, 1930 erbaut, hatte Moeschke-Poelzig, die Bildhauerin und Architektin war, entworfen. Es sei eines der beachtetsten Einfamilienhäuser der Weimarer Zeit gewesen, sagt der Kunsthistoriker Kolja Missal, der die Petition startete, „keines wurde in Zeitschriften so oft besprochen“. Es sei ein „einmaliges Denkmal der Emanzipationsgeschichte in der Architektur“. Der Grundriss im Erdgeschoss gebe den Kindern gleichberechtigt Raum und reduziere die Frau nicht auf ihre Mutterrolle; auf der Etage war auch Moeschke-Poelzigs Atelier. Es sei eines der ersten Häuser der Moderne, von dem man wisse, dass es eine Frau entworfen hat. Das werde eher belächelt als gewürdigt, sagt Missal.

Kolja Missal, der oft Verwandte in der Nachbarschaft der Poelzig-Villa besuchte, beobachtet den Verfall des Hauses seit Jahren. Als er Bauarbeiter ankommen sah, wurde er aktiv und initiierte die Petition. Er fordert Denkmalschutz.

Die Poelzigs lebten bis zum Tod von Hans Poelzig 1936 in der Villa; dort gewährten sie verfolgten jüdischen Freunden auch Unterschlupf. Die Nazis hatten Poelzig gezwungen, seine Professuren und Ämter niederzulegen und zwangen auch seine Frau, Atelier und Haus aufzugeben. 1937 kaufte es Veit Harlan, Regisseur des NS-Propagandafilms „Jud Süß“. Er ließ einen Kinosaal einbauen, dort soll der Hassfilm uraufgeführt worden sein.

Schon in den 80er Jahren sei dem Haus Denkmalschutz verwehrt worden, weil das ursprüngliche Flachdach in den 50er Jahren mit einem Walmdach ersetzt wurde. Auf das alte Gutachten berufe sich die Denkmalschutzbehörde bis heute; zu wenig Originalsubstanz sei da.

Kolja Missal widerspricht. Das Erdgeschoss sei baulich im Originalzustand. Ohnehin, meint er, könnte selbst das Dach schutzwürdig sein, zeuge es doch davon, dass man mit dem, was vor den Nazis war, nach dem Krieg auch nichts mehr zu tun haben wollte. Die Ablehnung lasse außer acht, dass sich Denkmalschutzkriterien in den letzten 40 Jahren veränderten. Das Denkmalamt hingegen bestätigt der taz, dass es die Villa weiterhin nicht als denkmalwürdig betrachte.

Waltraud Schwab