: Üblicher Trott des Gemetzels
Schlachthöfe sind Brandherde der Infektion – kein Wunder
Über Leichen zu gehen, ist im Schlachtgewerbe Alltag. Selbst in einem idealtypisch geführten Betrieb spritzt Blut, schließlich gehen Schweine, Kühe, Hühner rein und kommen filetiert heraus. In einem idealtypisch geführten Betrieb passiert das auf eine Weise, die die Tiere nicht allzu lange leiden und die Menschen nicht komplett verrohen lässt. Bekanntlich werden diese idealtypischen Zustände nicht überall erreicht. In den Wochen des Corona-Ausnahmezustandes erweisen sich die Schlachthöfe weltweit als Brandherde der Infektion.
Die Politik fordert nun Änderungen der Arbeits- und Wohnbedingungen und will schärfer hinschauen. Kontrollen fehlen aber, wie das Beispiel Niedersachsen zeigt. Per Brief oder Telefon werden die 183 Schlachtbetriebe im Land gefragt, ob und wie sie den Schutz ihrer Arbeitskräfte garantieren können. Fragen statt hinschauen also.
Auch der Schlachthof in Bad Bramstedt ist ein Infektionsherd. Zuletzt wurden über 130 der Beschäftigten positiv auf das Coronavirus getestet, die meisten leben in einer Sammelunterkunft. Da sie nicht beim Schlachthof, sondern bei einem Subunternehmer angestellt sind, weist Betreiber Vion alle Schuld von sich und droht mit einer Klage gegen den Kreis, der die Arbeiten stilllegte.
Es wird Zeit, den Trott des Gemetzels zu beenden – diese Erkenntnis ist inzwischen in der Politik angekommen. Der Bundesrat beschäftigte sich im vergangenen Jahr auf Antrag von Niedersachsen mit neuen Regeln für die Schlachthöfe, unter anderem ging es um Kameraüberwachung. Auch die Situation der Beschäftigten rückte nun in den Blick. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angekündigt, dass ihre Regierung in der kommenden Woche ein Konzept vorlegen will.
Kommende Woche endet die Quarantäne für die Beschäftigten in Bad Bramstedt, der Schlachthof wird wohl öffnen. Gleichzeitig werden Infektionen aus einem Großbetrieb in Nordfriesland gemeldet. Esther Geißlinger
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