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Ein Held zu sein ist trocken Brot

1.500 Euro Prämie soll es für Altenpfleger*innen geben – nicht aber für Beschäftigte der Krankenpflege. Dabei klagen die über mangelnde Schutzausrüstung und Überarbeitung

VonLotta Drügemöller

Für Altenpfleger*innen gab es pünktlich am gestrigen Tag der Pflege eine gute Nachricht: Der Senat hat entschieden, dass sie eine Prämie bekommen. 1.500 Euro gibt es, steuerfrei und einmalig. 1.000 Euro kommen vom Bund, für den Rest kommt das Land auf.

Parallel zur Pressekonferenz, auf der dies verkündet wurde, protestierten Krankenpfleger*innen für das selbe Recht. Etwa 50 Leute kamen zur “aktiven Mittagspause“ vor dem Klinikum Links der Weser (LdW) zusammen, mit Masken und Abstand. Doch dass sie die Prämie ebenfalls bekommen, scheint unwahrscheinlich.

Denn das Bundesprogramm, auf dem sie beruht, wendet sich an die Altenpflege. Im Senat scheint man ohnehin nicht komplett von der Prämienlösung überzeugt zu sein: Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte, Boni seien „nicht das Mittel der Wahl, um Lohngerechtigkeit hinzukriegen“. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard betonte, dass allgemeinverbindliche Tarifverträge wichtiger seien.

Beim Klinikverbund „Gesundheit Nord“ (Geno) gibt man sich unentschieden: Man schließe eine Prämie nicht aus. „Wichtig ist aber, dass diese dann auch gerecht ist“, sagt Sprecherin Karen Matiszick. So gebe es Bereiche, in denen Pflegende schon seit Jahren besonderer Belastung ausgesetzt seien, etwa auf der Tuberkulosestation.

Eindeutiger positioniert sich Ute Reimers-Bruhns, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: „Es macht für mich keinen Sinn, da zwischen Alten- und Krankenpflege zu unterschieden“, sagt sie. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass alle die Prämie bekommen.“

Der Bonus ist aber ohnehin nicht die einzige Forderung der Krankenpfleger*innen. Auch wenn auf der Kundgebung manche Redner*innen wegen ihres Mund-Nasen-Schutzes schwer zu verstehen waren, kam die wesentliche Botschaft doch rüber: Held*in sein ist schön und gut – aber ein guter Lohn, ausreichender Schutz und bessere Arbeitsbedingungen wären wichtiger.

500 Euro mehr im Monat solle es dauerhaft geben, so eine Forderung. Für Empörung sorgte bei vielen der Demonstrierenden, dass ihr Arbeitgeber Geno bisher keine Infektionszulage zahlt – dabei handelt es sich hierbei ohnehin nur um 46,02 Euro für Vollzeitkräfte, monatlich. „Wir haben eben einen sehr klammen Arbeitgeber“, sagte Roman Fabian, Betriebsratsvorsitzender am Klinikum Links der Weser.

„Notfalls muss man Betten schließen“

Roman Fabian, Betriebsrat am Klinikum Links der Weser

Schlimm sei die Schutzsituation vor fünf Wochen gewesen, so Fabian – damals habe es fast nur Mund-Nase-Masken gegeben, obwohl der Arbeitsschutz die höherwertigen FFP2-oder -3-Masken vorschreibe. „Wir müssen das dokumentieren. Dann kann man später wenigstens eine Berufserkrankung geltend machen.“ Schließlich zeige sich immer häufiger, dass Corona auch Folgeschäden mit sich bringe.

Auch jetzt noch würden die Masken nicht nach Bedarf, sondern im Sinne der Mangelverwaltung ausgegeben. Auf einen Brief vom 22. April, der eben dies kritisiert, hätten bisher weder Bürgermeister noch Gesundheitssenatorin reagiert. „Die Antwort ist in Bearbeitung“, erklärt dazu Senatssprecher Christian Dohle. „Aber wenn die Krankenhäuser die Masken nicht haben, dann haben sie sie nicht.“ Fabian sieht das anders. „Wenn das Material nicht ausreicht, muss man notfalls Betten schließen.“

Krankenpflegerin Ariane Müller kritisiert vor allem die Arbeitsbelastung. Sie arbeitet auf der Intensivstation des Klinikums Bremen-Mitte. Viele Mitarbeiter*innen seien krankgemeldet, bis zu 15 Stellen würden fehlen. „Einige haben nun einen Antrag auf Stundenreduzierung gestellt“, sagt sie, „die Leute flüchten aus dem Beruf.“

Aktuell müssen die Krankenhäuser die Personaluntergrenzen nicht einhalten – der Bund hat das beschlossen. Nun gehen die Kliniken langsam zurück in den Normalbetrieb, planbare OPs finden statt – doch die Personaluntergrenzen wurden noch nicht wieder eingeführt. „Das ist doch ein Skandal“, findet Müller.

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