Ecuadors Gesundheitswesen am Limit: Pandemie-Hausaufgaben für den IWF

Die Sparauflagen des Internationalen Währungsfonds rächen sich nun in der Coronakrise – etwa in Ecuador.

Ein moradfahrer mit Kind auf dem Rücksitz vor einer Reihe Polizisten.

In Guayaquil kollabiert das Gesundheitssystem Foto: Santiago Arcos/reuters

HAMBURG taz | Ecuador ist einer der lateinamerikanischen Staaten, die massiv unter der Coronakrise leiden. Vor allem in der Wirtschaftsmetropole Guayaquil kollabiert das Gesundheitssystem. Hohe Infektionszahlen seien dafür nur ein Grund, so der ecuadorianische Gesundheitsexperte Juan Cuvi. „Die Krankenhäuser in Guayaquil arbeiten am Limit. Schutzmaterialien stehen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. Das führt zu Infektionen des ohnehin knappen Personals. Das sind Defizite einer verfehlten Gesundheitspolitik“, kritisiert der Direktor der für das Grundrecht auf Gesundheitsversorgung eintretenden Stiftung Donum. Zwar garantiert Ecuadors Verfassung den Bürgern einen kostenlosen Zugang zu ärztlicher Behandlung und Medikamenten, in der Realität wird dieses Grundrecht aber unterlaufen.

Ecuador habe wie viele Nachbarstaaten auch ein zweigeteiltes Gesundheitssystem: ein gut ausgestattetes Netz von Privatkliniken und die latent unterfinanzierten öffentlichen Krankenhäuser. Gesundheit sei zur Ware geworden, kritisiert Cuvi. Das habe sich in den letzten Jahren noch verschärft, denn mit der Annäherung an den IWF und der Bewilligung eines IWF-Kredits über 4,2 Milliarden US-Dollar im Frühjahr 2019 willigte die Regierung von Präsident Lenín Moreno ein, die Zahl der Staatsangestellten um 10.000 zu reduzieren. „Darunter auch mehrere Tausend im Gesundheitssystem“, so Alberto Acosta, Ökonom und Nachhaltigkeitstheoretiker aus Quito. „Diese Einschnitte im Gesundheitssystem rächen sich heute. Der Rücktritt der Gesundheitsministerin Catalina Andramuños am 20. März wegen fehlender Ressourcen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus ist dafür nur ein Beispiel“, so Acosta. Er hat dafür plädiert, den Schuldendienst einzustellen und sämtliche frei werdende Mittel in das Gesundheitssystem umzuleiten.

Doch dazu konnte sich die Regierung von Präsident Lenín Moreno nicht durchringen. Sie zahlte 23. März 325 Millionen US-Dollar und bediente die Schulden. Seitdem hat sich die Situation in Ecuador verschärft. 9.022 Corona-Infizierte waren am Sonntag registriert, 456 Menschen verstarben an Covid-19. In Relation zur Bevölkerungszahl sind das die höchsten Zahlen Lateinamerikas, und die Dunkelziffer ist angesichts knapper Testkapazitäten hoch.

Cuvi und Acosta plädieren deshalb für Reformen. „Der IWF sollte sich in einem ersten Schritt an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation für eine Mindestzahl an Ärzten und Krankenhausbetten pro Tausend Einwohner orientieren“, so Cuvi. Doch Cuvi geht es um mehr. Der Tendenz zur Privatisierung im Gesundheitssystem müsse Einhalt geboten werden. Welche negativen Folgen die hat, zeigt sich derzeit auch in Ecuador. Dort sind die Privatkliniken nicht dazu verpflichtet, Covid-19-Patienten aufzunehmen. Hinter den Betreibern stehen einige der einflussreichsten Familien des Landes.

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