Politische Kommunikation in Bremen: Völlig vergaloppiert

Bislang galt Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) nicht als xenophob. Wie sie nun gegen Kritik auskeilt, wirkt Ressentiment geladen.

Ein Mann, Insasse des Lagers Lindenstraße, steht vor der Bremischen Bürgerschaft und hält im Rahmen einer Demo ein Transparent, um gegen das Lager Lindenstraße zu protestieren

Die vermeintlich kleine Gruppe hat in Bremen die größte Demo seit Corona durchgeführt Foto: Hannes von der Fecht

Politisch ist Schweigen niemals Gold. Aber in der falschen Situation aggressiv zu kommunizieren, ist scheiße. Das führt derzeit Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) vor. In ihrer Verantwortung liegt die Zentrale Aufnahmestelle für Geflüchtete: Draußen, eine gute Stunde vom Zentrum Bremens entfernt, dieser Stadt der kurzen Wege. Hier gibt es 200 Mehrbettzimmer, teils fensterlos, in denen Anfang März noch fast 700 Menschen dicht auf dicht zusammen hockten: Jetzt sind noch immer 370 dort untergebracht, in Quarantäne, weil 133 Bewohner*innen Corona-infiziert sind. Und Stahmann fliegt das um die Ohren.

Das liegt auch an ihrer desaströsen Kommunikation: So bleibt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) weitgehend unbehelligt. Sie räumt wenigstens ein, dass die Situation bedenklich ist – verfügt aber trotzdem keine seuchenpolizeiliche Schließung. Stahmann dagegen hat von Anfang an auf Konfrontation gesetzt – und sich gründlich vergaloppiert.

Die schon vor Corona erhobene Forderung der Insassen nach einer menschenwürdigen Unterbringung hat sie in einem Gastkommentar im Weser-Kurier als „vornehmlich ideologisch“ verdammt. Per Twitter hat sie den gewerkschaftlich organisierten Wachleuten den Vogel gezeigt, die sich für eine Schließung des Lagers ausgesprochen hatten: „Einfach mal nachdenken!“

Sensibel zeigte sie sich in der Frage der Bezeichnung für die Einrichtung: Sie Lager zu nennen, Camp, findet Stahmann ganz, ganz schlimm.

Nein, Stahmann war bislang nicht xenophob aufgefallen. Aber ihre asymmetrische Kommunikation, gekennzeichnet durch den Versuch, die Semantik zu monopolisieren und Kritik zu delegitimieren, legt den Verdacht nahe, dass sich in ihr Ressentiments aussprechen: Indem sie nun in einem erneuten Versuch der Vorwärtsverteidigung Ermittlungen vorgreift und die Protestierenden bezichtigt, Brände im Lager gelegt zu haben, lässt sie rhetorisch nicht nur den ideologischen Rahmen ihrer Partei – die Grünen halten sich für die Menschenrechtspartei – sondern auch den des Rechtsstaats hinter sich. Angekommen ist sie im rechten Diskurs. Die Junge Freiheit klatscht ihr Beifall.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.