piwik no script img

Kind setzt auf Kontinuität

Mitten in der Corona-Spielpause verlängert Hannover 96 die Verträge von Trainer und Sportchef

Von Christian Otto

Es klingt nach einer Wunderheilung. Hannover 96 ist eigentlich als der Fußballverein bekannt, dessen Hauptentscheider von einem merkwürdigen Verhaltensmuster geplagt wird. Martin Kind dirigiert – abgesehen von einer kurzen Unterbrechung – schon seit 1997 die Geschicke der „Roten“. In dieser Zeit hat er 18 Trainern und zwölf Managern erst voller Euphorie sein Vertrauen ausgesprochen, um sich dann früher oder später doch von ihnen zu trennen.

Was im Profisport zum normalen Business gehört, besitzt bei Kind eine besondere Dynamik. Umso verwunderlicher ist, dass er mitten in der Corona-bedingten Spielpause der 2. Liga die Arbeitsverträge mit Trainer Kenan Kocak und Sportchef Gerhard Zuber bis 2023 verlängert hat.

Der Blick zurück auf mehr als zwei Jahrzehnte des Heuerns und Feuerns im Kind-Style erinnert daran: Bei allen Trainern, Managern, Geschäftsführern und ähnlichen leitenden Angestellten war der gemeinsame Wille zu dauerhafter Teamarbeit zu erkennen. Das änderte sich, sobald der gewünschte Erfolg ausblieb oder Kind die Geduld verlor. Ob Ralf Rangnick, Jörg Schmadtke oder Thomas Schaaf – zu denen, die sich in der Obhut von Kind verschlissen haben, gehören prominente Fußball-Macher.

Zuber klagte gegen 96

Kocak ist vom kleinen SV Sandhausen nach Hannover gewechselt und ein Neuling, wenn es um die angestrebte Rückkehr in die 1. Liga geht. Zuber war vor ein paar Monaten noch auf das Abstellgleis geschoben worden und hatte gegen Hannover geklagt. Viel verrückter kann die Grundlage für die künftige Zusammenarbeit also kaum sein.

Aber warum eigentlich nicht? Wieso soll in einer Zeit, in der wirklich alles grundlegend anders geworden ist, nicht auch Martin Kind etwas Neues wagen dürfen? Wenn Kocak und Zuber ihre Arbeitsverträge wirklich bis zum vereinbarten Ende 2023 erfüllen dürften, wäre Kind dann 78 Jahre alt. Vielleicht ist er bis dahin aus guten Gründen amtsmüde oder nicht mehr in der vollen Verantwortung. Sein aktueller Versuch, mit Hilfe von Kocak und Zuber für Kontinuität zu sorgen, ist wie immer gut gemeint. Daran zu glauben, dass es dieses Mal anders oder dauerhaft besser werden könnten, fällt schwer.

Es gibt Argumente dafür, dass das Duo ein erfreulich langes Haltbarkeitsdatum bei Hannover 96 haben könnte. Beide besitzen die Chance, an einer großen Aufgabe zu wachsen. Beide vermitteln aktuell den Eindruck, dass sie keine Zweckgemeinschaft sind, sondern aus Überzeugung eine Einheit bilden wollen. Falls ihnen tatsächlich gelingt, Hannover 96 wieder salonfähig und erstklassig zu machen, winkt ihnen der Heldenstatus.

Trotz Corona und unter Kind zurück in die 1. Bundesliga: Falls sich das wirklich realisieren lässt, werden sich Kocak und Zuber ohnehin neue Aufgaben und Herausforderungen suchen müssen. Sie wären dann schlichtweg zu gut für das chronisch wankelmütige Hannover 96.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen