Virus vertreibt Klimakonferenz: Heißer Herbst auch ohne Glasgow

Die nächste Klimakonferenz wird verschoben. Doch im kommenden Herbst wird trotzdem über das Klima entschieden.

Ein sich küssendes Paar mit Mundschutz als Streetart.

Heißer Herbst auch ohne Klimakonferenz: Streetart des Künstlers Rebel Bear in Glasgow Foto: Andrew Milligan/Wire/dpa

BERLIN taz | Ich hatte mich schon gefreut: Auf gefüllten Schafsmagen mit lauwarmem Bier, auf schottische Indigene mit unverständlicher Sprache, auf nasskaltes Erkältungswetter draußen und kalte Schultern drinnen, auf zwei Wochen schlechte Laune, wenig Schlaf und viel Frust. Und dann verschiebt die UNO ihre Klimakonferenz, die im November in Glasgow stattfinden sollte.

Erster Gedanke: Völlig richtig. 30.000 Klimanerds bilden eine kriminelle Vereinigung von Virenschleudern. Zweiter Gedanke: Ohne öffentlichen Druck, lauten Protest und persönliche Treffen wird das mit den besseren Klimaplänen für 2020 erst recht nichts. Dritter Gedanke: Über echten Klimaschutz entscheidet sowieso nicht die Konferenz, sondern die Länder zuhause. Und deshalb: Das wird nix mit vorweihnachtlicher Stimmung. Auch wenn die COP verschoben wird: Der November entscheidet über das Schicksal der Welt.

Denn am 3. November wählen die USA hoffentlich einen neuen Präsidenten. Falls nicht, kann sich der globale Klimaschutz (und so ziemlich alles andere, was richtig und wichtig ist) gleich einsargen lassen. Four more years von Donald Trumps Lügen, Ignoranz, Wissenschaftsfeindlichkeit und ökologischer Böswilligkeit werden kaum zu reparieren sein.

Der US-Präsident trifft mit traumwandlerischer Sicherheit immer genau die Entscheidung, die für Klima, Umwelt, Gesundheit und die Schwächsten am schlimmsten ist: Er erlaubt mehr Gift in Luft und Wasser, unterstützt die Ölindustrie, er macht Autos wieder dreckiger und durstiger, er lässt die letzten Naturschätze nach „Bodenschätzen“ durchwühlen und kappt internationale Hilfen und Kooperationen.

Trump und Bolsonaro

Jetzt kommt Corona. Und zeigt im Zeitraffer, was passiert, wenn ein Präsident nicht regiert, sondern negiert, wenn er lügt, verharmlost und kranke und ansteckende Menschen zur Arbeit schickt und unfähig ist, komplexe Probleme anzupacken. Wenn er auch in Notzeiten keinen Konsens mit der Opposition sucht und den Menschen nicht Orientierung und Mut geben kann.

Ist es Zufall, dass die andere große Abrissbirne an Vernunft, Anstand, Zukunft und Natur, der brasilianische Präsident Jair Messias Bolsonaro, wegen geradezu trumpscher Inkompetenz in dieser Krise ebenfalls unter Druck gerät? Und könnte ausgerechnet der Coranavirus die Pandemie der Dummheit so offensichtlich machen, dass die entscheidenden WählerInnen in den USA am 3. November umdenken oder wenigstens zuhause bleiben?

Die Hoffnung zumindest bleibt. Eine Kurskorrektor im Weißen Haus wäre wichtiger als jeder mögliche „Erfolg“ einer COP26. Bisher bleibt nur eine starke symbolische Warnung: Im Konferenzzentrum von Glasgow kümmert man sich jetzt nicht mehr um die Rettung der Welt. Stattdessen entsteht dort ein Not-Krankenhaus. Was eigentlich das Gleiche ist.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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