Coronakrise sorgt für billigen Strom

Weil die Nachfrage nach Energie einbricht, gibt es immer öfter negative Preise an der Strombörse

Von Bernward Janzing

Die Coronakrise hat den Stromverbrauch in Deutschland um fast 10 Prozent reduziert. Ganz nach der Logik des Marktes sinken deshalb die Preise im Großhandel, die Börsenstrompreise sind immer öfter sogar negativ. So forciert Corona einen Trend: Bereits das Jahr 2019 hatte mit 211 Stunden mit Minuspreisen einen neuen Rekord gebracht. Im Jahr zuvor waren es noch 134 Stunden gewesen.

Negative Preise am Spotmarkt ergeben sich, wenn ein hohes Angebot aus Windkraft und Solarstrom auf geringen Verbrauch trifft, während zugleich unflexible konventionelle Kraftwerke ihre Leistung kaum reduzieren. Bei den jüngsten Minuspreisen am Sonntag etwa brachten die deutschen Atomkraftwerke noch immer 60 Prozent ihrer Höchstleistung.

Durch den Einbruch der Wirtschaft dürfte 2020 nun abermals Spitzenwerte bei den Minuspreisen bringen. Bis Ende März habe es 130 Stunden mit negativen Preisen gegeben, bilanzierte das energiewirtschaftliche Beratungshaus Enervis in Berlin. Im Vorjahreszeitraum seien es nur etwa 90 gewesen. Noch im Februar hatten Branchenkenner erwartet, im Zuge des Atom- und Kohleausstiegs werde die Zahl der Stunden mit negativen Preisen abnehmen. Diese Prognosen könnten nun aufgrund der langfristigen Folgen von Corona hinfällig sein.

Dabei sind die wirtschaftlichen Aktivitäten hierzulande weniger eingebrochen als in anderen Ländern. Während der Branchenverband BDEW für Deutschland einen Rückgang des Stromverbrauchs um 8,7 Prozent errechnete, brach die Nachfrage in Italien um 30 Prozent ein, in Frankreich um 20, in Spanien um 19 und in den Niederlanden um 18 Prozent.

Auch in Großbritannien kamen geringer Verbrauch und hohe Erzeugung aus Erneuerbaren zusammen. Die Windparks trugen am Sonntag zeitweise fast 40 Prozent zur Stromerzeugung bei, die Solarenergie fast ein weiteres Fünftel. Fossiler Brennstoff machte nur noch 15 Prozent aus, davon die Kohle gerade noch 1,1 Prozent. Hier nutzte der Ökostromversorger Octopus Energy die gefallenen Strommarktpreise für eine Marketingaktion: Kunden mit einem flexiblen Tarif, der sich an den halbstündigen Großhandelspreisen orientiert, bekamen Geld dafür, dass sie Strom verbrauchten. Zeitweise verdienten sie, wie der britische Guardian berichtete, bis zu 3,3 Pence (knapp 4 Cent) pro verbrauchter Kilowattstunde.

Zeitvariable Strompreise, die sich an der Strombörse orientieren, werden auch für Endkunden in Deutschland immer wieder diskutiert, sie konnten sich aber bisher nicht durchsetzen. Attraktiv könnten sie für jeden sein, der Verbrauch verlagern kann – etwa indem er sein Elektroauto in Stunden billigen Stroms tankt.