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corona in bremen„Weniger plattgefahrene Tiere“

Annette Siegert, 45, ist Geologin und Umweltbildnerin beim Nabu in Bremen.

Interview Teresa Wolny

taz: Frau Siegert, die Corona-Krise schadet den Menschen, aber hilft sie der Natur?

Annette Siegert: Die geringere Feinstaubbelastung, die man sich gerade auf vielen Karten anschauen kann, freut natürlich auch die Tiere. Weniger Autos heißt außerdem weniger plattgefahrene Tiere. Zu den nun ausfallenden Osterfeuern gab es bereits eine Pressemitteilung: Die Leute bleiben jetzt auf ihrem Strauchschnitt sitzen, warum daraus jetzt also nicht eine Totholzecke für Igel und Zaunkönig anlegen?

Lassen sich diese positiven Effekte über die Krise hinaus beibehalten?

Die Hoffnung gibt es natürlich. Weniger Verkehr ist ja auch für das Klima sehr hilfreich. Für die Pendler:innen etwa gibt es so schnell aber keine Alternativen, da müsste politisch was passieren. Aber der Einzelne, der sich notgedrungen etwas anderes für den Heckenschnitt überlegen muss, macht sich jetzt vielleicht Gedanken, wie man der Insekten- und Vogelwelt ein bisschen unter die Arme greifen kann.

Spazierengehen wird ja gerade zum Volkssport. Worauf lohnt es sich, zu achten?

Im Moment passiert draußen total viel. Die Veränderungen sieht man besonders gut, wenn man regelmäßig den gleichen Weg nimmt, egal ob in der Stadt oder im Wald. Erst gab es Knospen, die jetzt zu Blüten geworden sind und an denen schon Insekten sitzen. Die ersten Marienkäfer sind aufgewacht und haben Nachwuchs. Wer ein Insektenhotel im Garten oder auf dem Balkon hat, der sieht auch schon richtig Betrieb bei den Wildbienen. Wer kein Insektenhotel hat, könnte jetzt die Gelegenheit nutzen und eins bauen. Man könnte auch mal versuchen, die verschiedenen Vogelstimmen auseinanderzuhalten oder im Wald nach ersten Ameisenhaufen suchen. Gerade mit Kindern ist es gut machbar, einfach mal ein paar Blätter umzudrehen und zu schauen, was darunter ist.

Darf man sich ein Stück Natur, zum Beispiel Blumen, mit nach Hause nehmen?

Das kommt darauf an, wo. Bei Privatgrundstücken sollte man natürlich vorher fragen. In der freien Landschaft hängt es dann davon ab, ob es gefährdete oder geschützte Arten sind: dann nicht. Früher sagte man, dass man von Schlüsselblumen eine Handvoll mitnehmen darf, solange genug für Insekten und Vögel stehen bleibt. Viele Frühblüher wie etwa das leuchtend gelbe Scharbockskraut halten allerdings überhaupt nicht in der Vase.

Also tendenziell eher nicht ...?

Für die Tierwelt ist es sowieso besser, die Blumen vor Ort stehen zu lassen und sich einfach nur am Anblick zu erfreuen.

Gegen Lagerkoller zu Hause empfehlen Sie wahrscheinlich Spazierengehen?

Ja, und auch generell, sich viel draußen aufzuhalten. Das ist ja etwa mit der Familie noch erlaubt und geht auch in der Stadt. Wer ein Ziel braucht: Am Vahrer Feldweg in Sebaldsbrück vor dem Gelände des Nabu weiden jetzt wochentags wieder Schafe, die haben auch schon Lämmer.

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