piwik no script img

Notfall ohne Plan

Für den Fall, dass Ambulante Pflegedienste wegen des Corona-Virus ihre Arbeit einstellen müssen, hat Hamburg keine Notfallpläne. Niemand kann sagen, wie die Pflegebedürftigen versorgt werden sollen

Zeichnung: Imke Staats

Von Marco Carini

Es gibt keinen Plan B, wenn MitarbeiterInnen von uns ausfallen, dann wird es eng“, sagt der Leiter eines ambulanten Pflegedienstes in Hamburg, der anonym bleiben möchte. Auch von der zuständigen Hamburger Gesundheitsbehörde gebe es derzeit keine klaren Vorgaben, wenn Pflegedienste aufgrund von Corona-Verdachtsfällen ihre Arbeit einschränken oder gar aufgeben müssen.

Viele Träger fordern deshalb städtische „Notfallpläne“. Doch die sind nicht in Sicht. Im Gegenteil: Auf die Frage der taz, wie die Pflegebedürftigen betreut werden sollen, wenn Pflegedienste Corona-bedingt ausfallen, antwortet die Hamburger Gesundheitsbehörde nach zweitägiger Bearbeitungszeit: „Betreiber und deren Verbände sind in engem Kontakt mit der Gesundheitsbehörde, um aktuelle auftretende und zu erwartende Herausforderungen zu bewältigen.“ Viel mehr, so sagen die Pflegedienste, würden sie von der Gesundheitsbehörde auch nicht hören.

Derzeit werden rund 19.000 vor allem ältere Menschen in Hamburg ambulant betreut. Körperpflege, Zubereitung von Mahlzeiten, Füttern, Waschen, Hilfe beim Anziehen, beim Einkaufen oder im Haushalt – das Angebot der offiziell in Hamburg registrierten 405 Pflegedienste ist vielfältig. Bei ihnen werden derzeit „Task Forces“ oder „Krisenstäbe“ eingerichtet, die sofort aktiv werden sollen, wenn es Corona-Verdachtsfälle unter den MitarbeiterInnen gibt. Hausinterne Notfall- und Pandemiepläne werden erstellt, bei größeren Trägern MitarbeiterInnen in verschiedene Teams unterteilt, die miteinander nicht in Berührung kommen. Wird einE PflegedienstleisterndeR zum Corona-Verdachtsfall, muss nur sein Team in Quarantäne, die anderen Pflegedienst-MitarbeiterInnen aber bleiben zunächst im Einsatz.

Reduzierung der Leistungen

In den Notfallplänen der Pflegedienste geht es vor allem darum zu definieren, worauf verzichtet werden kann und worauf nicht. Von „individuellen Versorgungsstrukturen, die eine Reduzierung der bisher erbrachten Leistungen ermöglichen“, spricht Anne Hansen von der Hamburger Diakonie. Nur noch unbedingt notwendige, lebensnotwendige Pflegeverrichtungen sollen im Ernstfall ausgeführt werden. Menschen, die sich noch irgendwie alleine helfen können, werden nicht mehr angefahren. Verwandte und andere Angehörige sollen dann, so gut es geht, einspringen. Ein Konzept, das sich ein paar Tage durchhalten lässt, nicht aber Wochen oder gar Monate.

Schon heute gibt es Engpässe. „Die behandlungspflegerische Versorgung kann kaum noch aufrecht erhalten werden“, sagt Anne Hansen. „Die Versorgung etwa von „Wunden mit multiresistenten Keimen“ sei ohne Mundschutz, Desinfektion, Handschuhe und Schutzkleidung nicht möglich. Doch all dies könne schon derzeit nicht „in ausreichenden Mengen nachgeliefert werden“ – Versorgungsengpässe, die bereits heute bei einigen Trägern zum Kollaps führen.

Doch es dürfte noch schlimmer kommen, wenn das Virus sich weiter ausbreitet. „Wenn relevante Teile der ambulanten Pflege zusammenbrechen, müssen wir dafür sorgen, dass unsere KlientInnen in den Krankenhäusern versorgt werden, da es auch keine freien stationären Pflegeplätze gibt“, sagt eine Berufsbetreuerin, die die Angelegenheiten von vorwiegend älteren Menschen regelt. „Aber die werden mit Corona-Fällen total ausgelastet sein.“

Keine Antwort ist auch eine Antwort

Ob das so stimmt, will die taz von der Gesundheitsbehörde wissen. Doch es kommt keine Antwort. Während andere Träger des Gesundheitssystems diverse Szenarien entwickeln, um auf die Ausweitung der Corona-Krise gut vorbereitet zu sein, gibt es bei den Hamburger Krankenhäusern kaum konkrete Pläne für die Bewältigung eines möglichen Pflegenotstandes.

Auf die Frage, ob die Asklepios Kliniken Hamburg GmbH, der mit Abstand größter Klinikbetreiber der Stadt, erwartet, dass Menschen, die nicht mehr ambulant gepflegt werden können, in Kliniken untergebracht werden müssen und ob das Unternehmen darauf vorbereitet ist, antwortet Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz schmallippig: „Wir sehen aktuell keinen Anlass, diese Fragen zu beantworten oder eine Einschätzung zu kommunizieren. Das ist sehr spekulativ.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen