: AfD-Chef von NRW will Auflösung des „Flügels“
In der AfD werden die Stimmen lauter, die Konsequenzen für Höcke, Kalbitz und Co. verlangen. Die Bundesspitze schweigt bislang – bei ihrer Sitzung am Freitag düfte es heftig zugehen
Von Sabine am Orde
Wenn am Freitag um elf Uhr der Bundesvorstand der AfD in der Berliner Geschäftsstelle zusammenkommt, wird es wohl heiß hergehen. Die Parteiführung will sich auf einen Umgang mit der Einstufung des „Flügels“ als rechtsextrem durch das Bundesamt für Verfassungsschutz verständigen. Viele in der Partei meinen: Für die AfD ist die Einstufung eine ernste Gefahr – nicht nur, weil es für die Beamten langsam brenzlig wird. Die ganze Partei könnte, grenzt sie sich nicht klar vom Flügel ab, eingestuft werden. Doch welche Konsequenzen zu ziehen sind, ist umstritten.
Der NRW-Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen hat am Mittwoch deshalb gefordert, dass der Flügel aufgelöst wird. So steht es in einem Brief, den Lucassen im Namen des Landesvorstands an die beiden Parteichefs, Jörg Meuthen und Tino Chrupalla, geschickt hat. Diese und weitere Maßnahmen seien geeignet, „wieder Ruhe in unsere Partei einkehren zu lassen und die bereits begonnene Austrittswelle zu stoppen“, heißt es in dem von der dpa zitierten Schreiben. Lucassen fordert den Bundesvorstand zudem auf, Veranstaltungen und Auftritte des Flügels zu verbieten. NRW ist einer der größten Landesverbände der AfD.
Und Lucassen ist nicht der einzige, der Konsequenzen fordert. „Der Flügel muss jetzt seine Strukturen offenlegen“, sagt auch Alexander Wolf, Fraktionschef in Hamburg und Beisitzer im Bundesvorstand. Wenn der Flügel dazu nicht bereit sei, müsse er sich zum Schutz der Partei auflösen, so Wolf gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Schwer vorstellbar, dass Andreas Kalbitz, der gemeinsam mit Björn Höcke an der Spitze des Flügels steht und wie Wolf im Bundesvorstand sitzt, diesen Forderungen zustimmen wird. Ähnliches wie Wolf haben die Fraktionschefs aus Berlin und Rheinland-Pfalz, Georg Pazderski und Uwe Junge, gefordert. „Mein weiteres Engagement in der Partei mache ich von Eurer Entscheidung am Freitag abhängig!“, schrieb Junge an die Bundesspitze.
Und die? Hat sich nun eine Woche lang nicht geäußert. „Das klären wir zuerst intern“, sagt beispielsweise Chrupalla der taz. „Solange sage ich nichts.“ Am vergangenen Donnerstag, nach der Pressekonferenz von Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang, hatte die AfD-Bundestagsfraktion erst ein Pressestatement angesetzt, dann verschoben, schließlich wurde es abgesagt. Stattdessen schickte man Roland Hartwig vor, der die parteiinterne Arbeitsgruppe zum Verfassungsschutz leitet. In seinem schriftlichen Statement hieß es, Haldenwang verfolge „interessengeleitete Politikansätze“. Gegen die Einstufung werde man klagen. Ganz unten stand, in kleiner Schrift: „Es unterstützen: Dr. Alice Weidel, Dr. Alexander Gauland und Tino Chrupalla“. Interessant ist, wer fehlt: Meuthen, der neben Chrupalla an der Spitze der AfD steht. Das heißt wohl: Man war sich nicht einig. Was auch das einwöchige Schweigen erklären würde. Und am Freitag wohl ausgetragen werden muss.
Zu der parteiinternen Aufregung hat im übrigen nicht nur die Einstufung des Flügels als rechtsextrem geführt, sondern auch eine Rede Höckes bei einem Flügel-Treffen in Sachsen-Anhalt Anfang März. Dort hatte er unter dem Jubel seiner Anhänger gesagt, die AfD müsse die Gegner des „Flügels“ „ausschwitzen“. Hinzu kommt, dass laut Verfassungsschutz-Gutachten, wie der Spiegel berichtete, Kalbitz Mitglied in der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) war, einer inzwischen verbotenen Neonaziorganisation. Sollte das stimmen, hätte er das beim Parteieintritt angeben müssen – und wäre dann vermutlich gar nicht aufgenommen worden.
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