Die Krise fest im Blick

Angesichts der unübersichtlichen Corona-Lage präsentiert die Kanzlerin keine fertige Strategie, sondern verspricht, „das Notwendige zu tun“. Ökonomen schlagen Hilfe für bedrohte Firmen vor

Ready. Set. Go. Drive-­in-Teststation für Reiserückkehrer. München am 11. März Foto: Peter Kneffel/dpa

Von Hannes Koch

Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008 stellten sich ein, als Angela Merkel am Mittwoch zu einem ihrer seltenen Besuche in die Bundespressekonferenz kam. Damals sprach die Bundeskanzlerin die Garantie aus, dass die Konten der Bundesbürger sicher seien. Anlässlich der Corona-Epidemie äußerte sie sich nun weniger konkret. Sie versicherte: „Wir werden das, was notwendig ist, tun.“

Ihre Zurückhaltung begründete Merkel mit den unübersichtlichen Folgen der Ausbreitung des Virus. Man könne „die Entwicklung noch nicht genau voraussehen“. Aber: „Wie in allen solchen Krisensituationen ist Besonnenheit und Entschlossenheit richtig“, so die Kanzlerin.

Die Regierung geht davon aus, dass sich „60 bis 70 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infizieren“ werden. So betrachtet stehe Deutschland „am Anfang der Epidemie“, sagte Lothar Wieler, der Chef des Robert-Koch-Instituts, der zentralen Bundeseinrichtung zur Krankheitsüberwachung.

Wie er betonte auch Merkel, dass es jetzt darum gehe, Zeit zu gewinnen, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen und das Gesundheitssystems funktionsfähig zu halten. Nur so könnten die Patienten, bei denen das Virus einen schweren Verlauf auslöse, auf den Intensivstationen gut betreut werden, sagte der ebenfalls anwesende Gesundheitsminister Jens Spahn. „Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander schon auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen“, sagte Merkel.

Die Zuständigkeit der Bundesländer für konkrete Schutzmaßnahmen verteidigte die Bundeskanzlerin. Gleichzeitig mahnte sie ein abgestimmtes Vorgehen an. „Föderalismus ist nicht dafür da, dass man Verantwortung wegschiebt.“ Konkret geht es beispielsweise um die Absage von Fußballspielen, Konzerten und anderen Großveranstaltungen mit mehr als Tausend Besuchern, die die Bundesländer bisher unterschiedlich handhaben. Das soll auch Thema bei einem Treffen mit den Ministerpräsidenten an diesem Donnerstag sein.

„Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander schon auf eine Probe gestellt“

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Anlass des Auftritts der Kanzlerin war die Diskussion im Europäischen Rat am Dienstagabend, die erstmals als Videoschaltung stattfand. Die Regierungen der EU-Mitglieder beschlossen, sowohl gesundheits- wie wirtschaftspolitisch koordiniert zu handeln. Neben 25 Milliarden Euro an Hilfsgeldern, unter anderem für Unternehmen, kündigte Merkel an, den europäischen Maastricht-Vertrag „flexibel“ zu handhaben – soll heißen, dass vor allem das besonders betroffene Italien möglicherweise mehr Schulden aufnehmen kann, um auf die Epidemie zu reagieren. Auch die deutsche Regierung könnte zusätzliche Kredite in Anspruch nehmen, deutete die Kanzlerin an.

An diesem Freitag sollen Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier außerdem bekannt geben, ob hiesige Firmen mehr finanzielle Unterstützung erhalten. Dabei geht es beispielsweise um Restaurants, Hotels und Einzelhändler, die Umsatz einbüßen und in eine existenzielle Krise geraten, weil die Kunden wegbleiben. Bisher hat die Regierung auf die bestehenden Programme der öffentlichen KfW-Bankengruppe verwiesen, durch die notleidende Firmen günstige Kredite erhalten.

Dass möglicherweise auch Zuschüsse in Betracht kommen müssten, gaben Ökonomen am Mittwoch zu bedenken. Unter anderen Peter Bofinger (Uni Würzburg), Clemens Fuest (ifo Institut) und Beatrice Weder di Mauro (CEPR) schreiben in einem gemeinsamen Papier: „Als letzte Möglichkeit wäre daran zu denken, dass sich der Staat mit Eigenkapital an Unternehmen beteiligt.“ Als kurzfristige Unterstützung empfahlen sie, die Vorauszahlungen der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, die die Firmen an die Finanzämter leisten müssen, zinslos zu stunden. Das könne bedrohten Unternehmen helfen, die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden.