„Diese Tat ändert nichts daran, wer wir sind und woran wir glauben“

Eine Stadt in Trauer. Auf der Gedenkfeier zu dem rassistischen Anschlag in Hanau sprechen Angehörige und Freunde der Ermordeten. Die taz dokumentiert ihre Reden

Saida Hashemi, Schwester des Opfers Said Nesar Hashemi

„Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde, Familie und Trauernde,

zunächst einmal möchte ich mich bei der Stadt Hanau und ihren wundervollen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bedanken, die uns Opferfamilien in den letzten Tagen tatkräftig zur Seite gestanden und uns das Gefühl gegeben haben, nicht alleine zu sein. Sie haben Zusammenhalt gezeigt. Die Hanauer Bürgerinnen und Bürger haben Stärke bewiesen und demonstriert, dass es in unserer Stadt keinen Platz für Hass und Rassismus gibt. Wir danken euch vielmals.

Am 19. 2. 2020 schien die Welt in Hanau stillzustehen. Mein Bruder, Said Nesar Hashemi, sowie acht weitere junge Menschen wurden Opfer eines Mannes, der ihre Leben und ihre Liebe zu Hanau nicht respektiert hat. Aber Hanau hat an diesem Tag nicht nur Menschen verloren, die ihre Stadt sehr geliebt haben, sie waren Teil dieser Stadt. Mein Bruder Said Nesar wurde in Hanau geboren, er ist hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, hatte hier Familie und Freunde. Er war im Moment dabei, seine Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker abzuschließen. Den anderen Opfern ging es ähnlich: Viele haben in Hanau ihre Heimat gesehen. Sie haben hier gearbeitet und hatten hier Familie und Freunde. Die Opfer waren keine Fremden.

In der Tatnacht wurden alle am Tatort anwesenden Angehörigen von Kesselstadt in die Polizeihalle nach Lamboy gefahren. Wir haben mehrere Stunden gewartet, bis wir Gewissheit hatten, wo unsere vermissten Brüder, Schwestern, unsere vermissten Kinder waren. Gegen sechs Uhr morgens bestätigten sich unsere schlimmsten Befürchtungen. Jeder Anwesende hatte mindestens ein Todesopfer zu beklagen. In dem Moment, als die Namen der Opfer vorgelesen wurden, hörte ich das Schreien trauernder Eltern, ich sah die Tränen trauernder Freunde, und für mich hat es sich so angehört, als würden nicht nur die Menschen in der Halle weinen. Nein, in diesem Moment hat ganz Hanau geweint.

Trotz allem war die tiefe Trauer nicht das einzige Gefühl, das uns begleitete. Wir waren auch sehr enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass die Medien und Nachrichtenportale unsere Trauer durch Falschmeldungen und Gerüchte störten. Dazu gehört die Behauptung, mein Bruder Said Nesar sei ein afghanischer Bürger gewesen. Er war schon immer ein deutscher Bürger, um genauer zu sein, ein Hanauer. Auch sein Autokennzeichen widmete er seiner Heimatstadt mit den Ziffern 454, die letzten drei Ziffern der Postleitzahl von Hanau-Kesselstadt. Damit wollte er seiner Verbundenheit zu seiner Heimatstadt Ausdruck verleihen. Das war nur eine seiner Liebeserklärungen an unsere, an seine Stadt Hanau. Denn das ist es, was er getan hat, er hat die Stadt, in der er geboren wurde, und die Menschen, mit denen er aufgewachsen ist, sehr geliebt. Er war stolz, ein Hanauer zu sein.

Die vorhin angesprochenen Falschmeldungen betrafen jedoch nicht nur seine Herkunft. Selbst der Name meines verstorbenen Bruders wurde oft falsch angegeben. Said Nesar Hashemi, das war sein Name. Wie oft habe ich den Namen falsch gelesen? Wie oft habe ich falsche Biografien der Opfer zu Gesicht bekommen? An dieser Stelle möchte ich an die Menschen appellieren, Informationen nicht einfach hinzunehmen, sondern diese immer kritisch zu betrachten und zu hinterfragen. Glaubt nicht alles, was euch vorgesetzt wird.

Und auch, wenn wir heute die Opfer dieser grausamen Tat in den Mittelpunkt stellen wollen, stellt sich mir die Frage, wie es sein kann, dass ein Mensch so viel Hass in sich trägt. Hass, der letztendlich dafür gesorgt hat, unschuldigen Menschen das Leben zu nehmen. Was motiviert diese Menschen zu solchen Taten? Wie lange sollen wir diesen Hass tolerieren? Rassisten soll keine Plattform geboten werden. Alle Menschen sind gleich und haben es verdient, in einem Land ohne Angst zu leben. Wir möchten nicht in unserer Heimat in Angst leben. Es wird Generationen geben, die nach uns kommen, die nach meinem Bruder kommen und denselben Weg einschlagen werden wie er. Auch sie werden hier zur Schule gehen, und auch sie werden hier ihre Ausbildung machen und arbeiten gehen. Und diese Menschen haben es nicht verdient, in Angst zu leben. Diese Tat ändert nichts daran, wer wir sind und woran wir glauben.

Das ist nicht der erste Anschlag hier in Deutschland. Aber wir hoffen und beten dafür, dass es der letzte war. An dieser Stelle geht mein Mitgefühl an alle Opferfamilien dieser schrecklichen Tat. Und auch an alle Opferfamilien vergangener Anschläge. Wir sind nicht alleine, wir sind stark und halten zusammen. Mein Hoffnungsschimmer während dieser schweren Zeit sitzt in der ersten Reihe und ist mein Bruder Said Idris Hashemi. Er hat die schreckliche Tat am 19. 2. schwer verletzt überlebt und ist auf gutem Wege, wieder vollständig gesund zu werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“

Ajla Kurtović, Schwester des Opfers Hamza Kenan Kurtović

„Liebe Trauernde, zunächst möchte ich mich bedanken, dass Sie alle heute erschienen sind, um gemeinsam um die Ermordeten Fatih, Ferhat, Gökhan, Hamza, Kalojan, Mercedes, Said Nesar, Sedat und Vili zu trauern und ihrer zu gedenken. Ebenfalls möchte ich mich bei der Stadt Hanau für die große Anteilnahme und Hilfe bedanken.

Ich wurde gefragt, ob ich Hass spüre. Nein, ich empfinde keinen Hass. Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass Hass den Täter zu seiner rassistischen Tat getrieben hat. Damit liegen Hass und Rassismus sehr nah beieinander. Ich will, dass wir uns alle von Hass abgrenzen. Deutschland ist unsere Heimat, das Land des sozialen Wohlstands und der Gleichberechtigung. Miteinander und füreinander und nicht nebeneinander und gegeneinander.

Mein Bruder Hamza wurde völlig unerwartet aus der Mitte unserer Familie gerissen. Zurückgeblieben ist grenzenloser Schmerz, eine unfassbare Leere und Fassungslosigkeit. Der Schmerz ist grenzenlos aufgrund des Verlustes meines geliebten Bruders. Es bleibt eine unfassbare Leere, weil mein Bruder das Leben meiner ganzen Familie mit Freude, Herzlichkeit und Liebe erfüllt hat. Mein Bruder hat uns immer zum Lachen gebracht, war hilfsbereit und einfühlsam. Wenn er helfen konnte, hat er ohne Erwartung einer Gegenleistung geholfen. Ihm war wichtig, dass es uns, seinen Liebsten, gut geht. Aber auch Menschen, die er nicht kannte, waren ihm wichtig.

So hat er sein erstes Azubi-Gehalt für Menschen in Not gespendet. Mein Bruder war stets gut gelaunt und hat uns auch in schweren Stunden mit seiner Heiterkeit geholfen. Fassungslos bin ich darüber, dass mein Bruder aufgrund dieses schrecklichen Verbrechens nie wieder lachend und fröhlich zu unserer Haustür hereinkommen wird. Fassungslosigkeit herrscht darüber, dass nach so einer schrecklichen Tat Hass und Rassismus in unserer Gesellschaft und im Netz nicht aufgehört haben. Ich möchte hier keine einzelnen Beispiele nennen, um dem Hass keine Plattform zu geben.

Deswegen habe ich eine Bitte an Sie alle: Sorgen Sie, sehr geehrte Politiker, dafür, dass die Umstände dieses schrecklichen Verbrechens restlos aufgeklärt und die entsprechenden Lehren daraus gezogen werden. Damit sich so eine schreckliche Tat nicht wiederholen kann. Helfen Sie, liebe Trauernde, dass wir den Hass und das Gift namens Rassismus, so wie Sie es genannt haben, Frau Bundeskanzlerin, aus unserer Gesellschaft restlos verbannen und wir alle, auch wenn wir verschiedenen Glaubensrichtungen angehören, friedlich und glücklich in unserem Land gemeinsam leben können. Dies sind wir den Ermordeten schuldig. Und das ist das Mindeste, was wir tun können. Danke.“

Kemal Koçak, Betreiber eines Kiosks, in dem mehrere Opfer erschossen wurden

„Erstmal hallo an alle. Ich habe versucht, etwas vorzubereiten, das ich gerne vortragen möchte. Aber vorab möchte ich einiges loswerden. Das, was vorgefallen ist, tut mir so in der Seele weh. Mein Herz blutet dermaßen. Ich kann es nicht in Worten beschreiben, was passiert ist. Ihr müsst euch einfach mal vorstellen, jemand von euren Angehörigen, euren Freunden ist gerade irgendwo und hat noch so viele Ziele für den nächsten Tag, und einer kommt, der nicht so denkt wie wir, und der nicht so ist wie wir, und nimmt das Leben dieser Brüder oder Schwestern. Ich verstehe das nicht. Wie so was passieren kann in unserer Stadt. Dennoch will ich weitermachen.

Ich will erst mal ein Dankeschön sagen an den Ausländerbeirat, Robert Erkan, Mustafa Kaynak, an die muslimische Gemeinde, Behlül Yilmaz, an den Weißen Ring, Herrn Habermann, an den Oberbürgermeister Herrn Kaminski, der uns, wie ich das persönlich sehe, unterstützt bei der schwierigen Zeit gerade. Ich möchte auch ein herzliches Willkommen sagen der Bundes­kanzlerin Frau Merkel, dem Bundespräsidenten Herrn Steinmeier, Herrn Ministerpräsident Bouffier.

Zu meiner Person. Ich bin seit 45 Jahren in Hanau. Ich bin am 4. 8. 1974 im St.-Vinzenz-Krankenhaus in Hanau geboren, habe die ganzen Schulen besucht, habe sie beendet mit einem Realschulabschluss. Und heute bin ich verheiratet, habe vier Kinder. Ich muss ganz ehrlich sagen, seit dem 19. 2. habe ich Angst, rauszugehen mit meinen Kindern. Ich habe Angst, dass ihnen etwas zustößt. Oder unseren Kindern allgemein hier in Hanau. Ich habe hier in Hanau Familie, Freunde, deutsche Freunde, ausländische Freunde, viele Bekannte, weil ich ein Hanauer bin. Deshalb bin ich mehr als schockiert, was in der Mittwochnacht, 19. 2., passiert ist.

Einer der Tatorte in Kesselstadt war der Laden meines eigenen Sohnes, den ich seit einem Jahr unterstütze. Dieser Kiosk, den wir geführt haben, war kein normaler Kiosk, wo ihr reingeht und eine Zigarette kauft und ihn danach nie wieder betretet. Dieser Kiosk war ein Ort der Familie, diese Menschen kamen jeden Tag, nicht um was zu kaufen, sondern um hallo zu sagen, um mich zu umarmen, oder ich umarmte sie. Und jetzt sind die alle nicht mehr da. Und ich und die Angehörigen müssen damit leben.

Mercedes. Sie hat immer ihre Meinung gesagt. Sie hat sich nie was gefallen lassen. Aber sie hatte ein Herz aus Gold. Sie lächelte immer, hörte laute Musik. Immer wenn ich kam, drehte sie die Musik leiser. Und jetzt? Ist es ganz leise.

Ein junger, selbstbewusster Mann: Ferhat Unvar. Wenn man ihn sieht, bekommt man vielleicht Angst, weil er gut gebaut ist, groß ist. Aber er hatte ein Herz, einer, der keiner Fliege etwas antun konnte. Der ist nicht mehr da. Ich kann sein Lächeln nicht mehr sehen.

Said Nesar. Ich kannte ihn nicht so lange. Aber immer wenn er reinkam, lächelte er. Ich weiß, jedes Mal, wenn er kam, wollte er drei Capri-Sonnen und zwei Naschtüten haben.

Hamza Kurtović. Der hat schon Zeit mit meinem eigenen Sohn im Bett verbracht. Der Sohn eines meiner besten Freunde ist weg. Der war fast nie im Kiosk, aber an dem Tag war er da, zufällig. Jetzt ist er auch nicht mehr da.

Gökhan Gültekin. Die letzte Zeit mein Lebensbegleiter. Wir nannten ihn alle Gogo. Jedes Treffen und jedes Telefonat hat er mir gesagt, möge dich Gott beschützen. Er hatte die tiefe Erkenntnis, dass das Schicksal kommt, wie es kommen muss. Der hat es nicht verdient, einfach zu ­gehen. Doch er ist nicht da. Aber ich vermisse ihn so sehr. Und ich weiß, dass er morgen nicht wiederkommt. Ich bin durcheinander, weil ich denke, dass das alles ein Traum ist. Dass ich morgen wieder aufstehe und die sind alle wieder da.

Kalojan Welkow, ein Nachbar, den wir immer begrüßt hatten. Er hat auch eine Riesenlücke hinterlassen.

Sedat Gürbüz. Von ihm erzählt man, dass dieser junge Mann jedem Hilfsbedürftigen geholfen hat. Und jetzt ist er auch nicht mehr da.

Vili-Viorel. Einer, der immer zum Kiosk kam zum Einkaufen. Jedes Treffen mit ihm war ein süßes Lächeln. Das wird jetzt auch niemand mehr sehen.

Fatih Saraçoğlu. Die liebsten und engsten Menschen erzählen von einem freundlichen, anständigen und höflichen Mitmenschen.

Diese Opfer sind nicht mehr unter uns. Der Mensch vergisst schnell. Aber diese jungen Menschen, die Opfer geworden sind, dürfen wir nicht vergessen. Wir dürfen auch Rassismus, Hass und Gewalt nicht zulassen, in diesen Tagen und auch in der Zukunft nicht. Wir müssen aufstehen und unsere Stimme erheben. Jeder steht hier in der Verantwortung, jeder Einzelne, die Politik, der Bund, das Land Hessen, die Stadt Hanau, jeder einzelne Mitbewohner, egal wer es ist. Dass so etwas niemals wieder zugelassen wird. So was darf in unserer Stadt und in Deutschland niemals passieren. Wir alle hier in dieser Stadt sind Menschen und gehören zu dieser Welt, zu Europa, zu Deutschland, zu Hessen, auch zu Hanau. Lasst uns bitte gemeinsam gegen Hetze und Hass vorgehen. Denn die Menschen haben seit dem 19. 2. Angst, Sorge, wie sie weiterleben sollen. Jede Religion, ob es Christentum, Judentum oder der Islam ist, strahlt eines aus: die Nächstenliebe und Barmherzigkeit zu den Menschen.

Besonders die Worte, die ich jetzt sage, sind für die da oben, die am größeren Hebel sitzen. Ich möchte, genauso wie die Angehörigen, nicht mehr viele Wörter hören, sondern wir wollen Taten sehen. Dass etwas passiert. Dass so was nie wieder zustande kommt.

Ich erzähle ein Ereignis von mir selber. Gestern Abend war ich zu Hause. Es war spät, meine Kinder haben geschlafen, meine Frau auch. Ich saß im Wohnzimmer, ich habe Angst gehabt, in meiner eigenen Wohnung vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer zu gehen. Ich habe Angst gehabt. Aber ich möchte keine Angst haben.

Ich bedanke mich, dass ihr zugehört habt.“

Einer redet nur vom Täter

Der Bundestag diskutiert die Gefahr durch rechtsextremen Terror. Fast alle Redner sind sich einig darin, wer Mitschuld trägt an rassistischen Gewalttaten wie jüngst in Hanau. Wie dringlich dieses Thema ist, zeigt schon der Blick auf die Besuchertribüne

Aus Berlin Daniel Godeck

Am Donnerstagmorgen hat auch der sonst so geduldige Wolfgang Schäuble irgendwann genug. Die Debatte zu rechter Gewalt läuft gerade erst wenige Minuten, es spricht Roland ­Hartwig für die AfD. Hartwig wirft dabei den anderen Parteien vor, eine „brandgefährliche Atmosphäre“ geschaffen zu haben, die das Land spalteten und ­extremistische Taten wie jene in Hanau ermöglicht hätten. Hier reicht es Schäuble. Er schüttelt den Kopf. Nur kurz zwar, aber deutlich. Starker ­Tobak, der Widerspruch verlangt – so ist die Geste des sonst zur Neutralität angehaltenen Parlamentspräsidenten zu deuten.

Gut zwei Wochen sind seit dem rassistischen Anschlag von Hanau vergangen. Er reiht sich ein in eine Serie rechter Gewalttaten und der Aufdeckung rechtsextremer Gruppen, die ähnlich dem NSU Morde planten. Das ist die Ausgangslage, als sich die Parlamentarier am Donnerstag rund anderthalb Stunden mit der Bedrohung durch Rechtsterrorismus und der Gefahr von Rassismus im Land befassen. Sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verfolgt die Debatte von der Besuchertribüne aus. Noch so eine Geste, die die Dringlichkeit dieses Themas unterstreicht.

Zum Auftakt spricht der Bundestagspräsident selbst. Er mahnt, nach den jüngsten rechten Gewalttaten nicht zur gewohnten Tagesordnung zurückzukehren. Vielmehr brauche es eine „Aufrichtigkeit vom Staat – der sich eingestehen muss, die rechtsextremistische Gefahr zu lange unterschätzt zu haben.“ Notwendig sei mehr Entschlossenheit im Kampf gegen rechtsextreme Netzwerke und Vereinigungen, mahnt Schäuble. Auch die Debattenkultur erwähnt er. Gewalttaten wie in Hanau entstünden „nicht im luftleeren Raum. Sie wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima, in dem das Ressentiment gegenüber dem Fremden und abwegigste Verschwörungstheorien geschürt werden.“ Dass damit vor allem die AfD gemeint ist, ist bei den übrigen Rednern mal mehr, mal weniger stark herauszuhören.

Ein Vorwurf, den die AfD-Redner zurückweisen. „Sie spannen ermordete Menschen vor den Karren Ihrer Parteipolemik“, erwidert Gottfried Curio. Er ist es auch, der nicht ein Wort zu den Opfern verliert, aber ausführlich aus dem Manifest des Täters zitiert, um festzustellen: „Er war verrückt, und der AfD soll es in die Schuhe geschoben werden.“

Innenminister Horst Seehofer (CSU) wiederholt in der Debatte, dass „die höchste Bedrohung in unserem Lande“ vom Rechtsextremismus ausgehe. Das beginne mit der Verrohung der Sprache. Zur richtigen Wortwahl sagt an die AfD gerichtet: „Das hätten Sie übrigens heute praktizieren können.“

Annette Widmann-Mauz, die Staatsministerin für Integration, wird noch deutlicher: „Ich schäme mich heute“, sagt die CDU-Politikerin, was sie aus den Reihen der AfD wieder gehört habe. „Mit den Worten fängt es an, mit dem Schweigen nimmt es seinen Lauf.“

Einen nachdenklicheren Ton schlägt der Grünen-Politiker Omid Nouripour an. Er spannt einen Bogen von dem rassistischen Anschlag auf ein Wohnhaus in Solingen 1993 bis heute. „Wann hört dieser Wahnsinn auf?“, fragt Nouripour. „Rassismus tötet, und vorher grenzt er aus.“ Er verliest Namen, von den rund 200 Menschen, die seit 1990 von Rechtsextremen ermordet wurden. Darunter Walter Lübcke, Halit Yozgat und Amadeu Antonio. Nouripour bekommt dafür viel Beifall.