EU präsentiert Klimagesetz: Brüssel kriegt den Arsch nicht hoch

Das EU-Klimagesetz hat viele Schwächen. Positiv ist aber, dass die grüne Null bis 2050 Staaten und Investoren mächtig unter Druck setzt.

Ursula von der Leyen und Greta Thunberg in Brüssel.

So groß wird das EU-Klimagesetz: Ursula von der Leyen und Greta Thunberg in Brüssel Foto: Johanna Geron/reuters

Vor einem Jahr erlebte die Bundesregierung eine böse Überraschung: Weil Deutschland seine Klimaziele nicht erreicht, muss es möglicherweise bei anderen EU-Ländern über die nächsten Jahre für Milliarden von Euro CO2-Lizenzen nachkaufen. Außer ein paar Experten hatte die Regierung schlicht verdrängt, was sie in Brüssel mit anderen Staaten beschlossen hatte. Ähnlich geht es den Autobauern, die eventuell hohe Strafen wegen zu viel CO2-Ausstoß zahlen müssen.

Alle hatten unterschätzt, wie Umweltpolitik in der EU funktioniert: Brüssels Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich fein. Ähnliches lässt sich vom neuen EU-Klimagesetz sagen. Der Entwurf, den die Kommissionschefin Ursula von der Leyen jetzt präsentiert, kommt erst einmal unscheinbar daher, ist aber ein großer Schritt nach vorn. Die EU schreibt als erster großer Wirtschaftsblock fest, dass Europa bis 2050 klimaneutral wird.

Die Kommission will rechtlich zwingend einen Pfad festschreiben, wie die Emissionen sinken sollen, sie will dafür „nötige Maßnahmen“ definieren und alle EU-Gesetze auf die „grüne Null“ ausrichten, sie will säumige Länder an den Pranger stellen. Man würde sich solche Regeln aus den USA oder aus China wünschen. Allerdings haben die Brüsseler Vorschläge große Lücken: Wie und wie schnell das Klimaziel für 2030 angehoben werden soll, ist ebenso unklar wie die Frage, was die Mitgliedsländer konkret tun müssen.

Der Entwurf wird im weiteren Verfahren zwischen dem Parlament und dem Rat der Regierungen auseinander genommen werden, das scheint klar. Und von der Leyen hat nicht viele Machtmittel: Es gibt keine direkten Klima-Verpflichtungen für einzelne Staaten, auch das Geld für ihren Green Deal ist knapp. Und die politischen Schwergewichte sind ihr keine große Hilfe: Mit dem Brexit fällt Großbritannien aus und Deutschland ist stumm.

Keine direkten Klima-Verpflichtungen

Ähnlich wie das deutsche Klimaschutzgesetz gilt auch für das EU-Klimagesetz: Das Beste daran ist, dass es da ist – auch wenn es unvollkommen bleibt. Es formuliert Regeln und Ziele, an denen sich Investoren und Politikplaner orientieren müssen. Die wirklichen Entscheidungen fallen, wenn die Mühlen zu mahlen beginnen: Etwa bei der Verschärfung des Emissionshandels, wenn in Deutschland weniger Kohle verbrannt wird und sich in Polen keine Geldgeber für die Kohle finden, wie gerade geschehen.

Ob das neue Gesetz uns einer Lösung der Klimakrise näher bringt, hängt an vielen Variablen: Wie gerupft es aus dem Streit zwischen Parlament und Rat hervorgeht, ob Deutschland endlich mal wieder Klimapolitik macht, wenn es Ende 2020 den EU-Rat übernimmt. Und daran, ob es von der Leyen gelingt, bei Umsetzung und Durchsetzung der Regeln den Turbo anzuwerfen. Denn so fein die Mühlen mahlen, sie müssen sich viel schneller drehen. Die Zeit drängt.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Artikels hieß es am Ende des zweiten Absatzes fälschlicherweise: „...:dass 2050 Europa nicht mehr CO2 ausstößt, als es emittiert.“ Das war falsch, wir haben die Passage korrigiert.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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