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Ein christsozialer Muslim

Ozan Iyibas möchte in Bayern für die CSU Bürgermeister werden. Doch nicht überall tut sich die Partei so leicht mit Muslimen. „Wir und die – damit muss Schluss sein“, sagt Iyibas

Er sei konservativ, sagt Ozan Iyibas. Das Politik­konzept der CSU sei genau seines Foto: Lino Mirgeler/dpa

Aus Neufahrn Patrick Guyton

Das große Büfett ist aufgebaut zum „Valentinskaffee“ der CSU in Neufahrn. Der Ortsverband lädt ein in den Hotelgasthof Gumberger, an die 100 Bürger sind gekommen. Ozan Iyibas steht vor ihnen und sagt in breitem Bayerisch: „I mechad ned lang redn. Mir ham an scheena Kaffee und Kuachn.“ Dieses Jahr ist der Valentinskaffee bedeutsamer als sonst, Mitte März sind Kommunalwahlen in Bayern.

Ozan Iyibas, 37 Jahre alt, geboren im nahen Freising, daheim seit jeher in Neufahrn, möchte Bürgermeister werden. Er ist ein Mann mit höflichsten Umgangsformen, kurz gehaltenem Vollbart, der sich tadellos mit dunklem Anzug und weißem Hemd kleidet. Er ist der Kandidat der Christsozialen und Muslim. In dieser Kombination ist er der einzige christsoziale Bürgermeisterkandidat in ganz Bayern mit seinen 2.031 Städten und Gemeinden, in denen gewählt wird.

CSU und Muslime, CSU und Migranten – das schien über lange Zeit nicht zusammenzupassen. Wollte die Partei doch immer die konservative Tradition, die weiß-blaue Heimat in ihren Besitz nehmen. Es gehörte zum Sound der CSU, Kirchtürme zu beschwören und vor Moscheekuppeln zu warnen. „Wir und die“, sagt Ozan Iyibas im Gespräch mit der taz, „mit diesem Denken muss Schluss sein.“ Das Undifferenzierte sei das „Gift in unserer Gesellschaft – leider auch in meiner Partei“.

Seine Familie ist ein bayerisches Integrationsmusterbeispiel. Der Vater Cuma kam in den 70ern aus der Türkei nach Deutschland und arbeitete bis zur Rente in einem Metallbetrieb. „Als Ozan Kandidat wurde“, erzählt er, „sind meine Frau und ich auch in die CSU eingetreten.“ Die Mutter Kadiye hat ihre Kinder in den katholischen Gottesdienst genommen, damit sie sehen, wie das in Bayern ist. Ozan lernte bei der Sparkasse Neufahrn und arbeitete dort zwei Jahrzehnte lang, zuletzt als Leiter der Geschäftsstelle mit 20 Mitarbeitern. Seit Kurzem ist er selbstständig.

Auch beim Valentinskaffee aber wollen Bürger wissen, wie es Iyibas mit dem Islam hält. Der sagt: „Ich bin Alevit, das ist eine liberale und gemäßigte Richtung im Islam, die den christlichen Werten sehr ähnelt.“ Er erzählt auch, dass man ihn fragte, ob mit ihm als Bürgermeister der Sankt-Martins-Umzug und der Christkindlesmarkt in Neufahrn abgeschafft würden. Iyi­bas dazu: „Der Sankt-Martins-Umzug war eine der schönsten Sachen in meiner Kindheit.“ Und: „Bei mir im Amtszimmer wird ein Kreuz hängen.“

Wie kommt so einer zur CSU? Er sei konservativ, sagt er. Traditionelle Werte seien ihm wichtig, eine intakte Familie und Heimat. Die Marktwirtschaft, die die CSU vertrete, sei genau sein Konzept. Und die Bürger warnt er im Gespräch: Was Grüne und SPD so dachten, klinge „oftmals ziemlich sozialistisch“.

Auf Iyibas würden nicht so viele Blicke liegen, hätte es den Fall Wallerstein nicht gegeben. In dem bayrisch-schwäbischen Ort sollte es auch einen CSU-Bürgermeisterkandidaten geben. Doch der 44-jährige Sener Sahin warf kurz vor der Nominierung im Januar hin. Im CSU-Ortsverband war seine Religionszugehörigkeit kritisiert worden. Sahins Fall sorgte für bundesweite Aufmerksamkeit: Die CSU vergrault einen, weil er Muslim ist.

Wenige Tage darauf wurde Ozan Iyibas in Neufahrn nominiert – einstimmig. „Ich finde es sehr gut, dass der Ozan das macht“, sagt etwa Horst David, Mitglied im örtlichen CSU-Vorstand. „Warum soll jemandem wie ihm der Weg in die Politik versperrt bleiben?“ Die Christsoziale Julia Kürzinger, 39 Jahre, meint: „Ja klar, der Ozan, der ist einfach einer von uns.“

Manchmal möchte Iyibas gar nicht mehr über das Thema Migranten und die CSU reden. Doch in der Partei ist er Vorsitzender des Arbeitskreises „Migration und Integration“. In Neufahrn will er auch über Kommunalpolitik sprechen, über die Weiterentwicklung des 25 Kilometer nördlich von München gele­ge­nen Ortes. Er breitet seine Idee von neuem gemischtem Wohnraum aus „zwischen Rewe und der Feuerwehr“. Bei der Wahl in dem bisher von dem Grünen Franz Heilmeier geführten Neufahrn hofft die CSU, dass Iyi­bas zumindest in die Stichwahl kommt.

Iyibas berichtet derweil von einer Morddrohung und von Beleidigungen per E-Mail. „Jeder, der Vorbehalte hat, kann mich anrufen“, sagt er. „Meine Handynummer ist bekannt.“

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