: Klauen ist wie Containern, nur vorher
Es wird viel gelacht: Paula Irmschler stellt im Heimathafen ihren Debütroman „Superbusen“ vor
Von Jan Jekal
Paula Irmschler bekommt eine Menge Lacher am Dienstagabend im Heimathafen, zum Beispiel mit diesen Satz: „Männer haben scheinbar nie gelernt, wie man sich eines Pullovers entledigt, ohne sich dabei komplett auszuziehen.“ Der Satz steht in ihrem allseits gefeierten Debütroman „Superbusen“, den die Titanic-Redakteurin an diesem Abend mit Margarete Stokowski vorstellt und der voll solcher Sätze und Beobachtungen ist.
Wie eine Stand-up-Komikerin – und zwar eine der amerikanischen Schule und nicht eine aus der deutschen Comedy-Hölle – registriert Irmschler Beiläufiges, Banales, legt das Absurde im Alltäglichen frei und häufig auch die unterliegenden Machtverhältnisse. Denn es sind in der Regel Männer, in Irmschlers Buch wie in der Realität, die sich blöd verhalten – und die damit durchkommen.
Über „Superbusen“, einen Chemnitz-Roman (den ersten?) und einen, in dem Jens Spahn vorkommt (der erste!), wurde in den letzten Tagen viel geschrieben, über Irmschlers pointiert-poetisches Porträt einer Antifa-Clique in Sachsen, über Widerstand im Naziland, über Linkssein in der, wie sie Chemnitz charakterisiert, „am zweitschlechtesten angebundenen Stadt Deutschlands“.
„Was ich auf keinen Fall machen wollte“, sagt Irmschler über ihr Buch, „ist so ein Imagerettungsding, weil das nützt nichts. Es ist so schlimm, wie man glaubt, und teilweise noch schlimmer.“ Sie ist, wie die Protagonistin Gisela, nach Chemnitz gezogen. „Dass Chemnitz so eine große Rolle spielt, war nicht unbedingt geplant“, sagt sie. Gisela hat, im Gegensatz zu Irmschler, eine Band gegründet, Superbusen. „Eigentlich wollte ich über eine Tour dieser Band schreiben, und Chemnitz sollte nur der Startpunkt sein“, sagt sie, „aber ich habe beim Schreiben gemerkt, dass es nicht so sehr darum geht, was wir nicht gemacht haben, sondern darum, was wir gemacht haben oder was wir sind.“
Was sie gemacht haben: kiffen, klauen, Scheiße bauen. Ihre Worte. „Es gibt viele Frauencliquen und auch welche, die nicht nur Sekt trinken, zusammensitzen und über Männer sprechen“, sagt sie. Denen begegne man jedoch nur selten in der Literatur, da seien es sonst meist Männergruppen, in denen vielleicht auch mal eine Frau dabei sei, „so TKKG-mäßig“.
Noch ein Satz, mit dem Irmschler Lacher bekommt: „Klauen ist wie Containern, nur vorher.“ Eine bevorzugte Diebstahlsstrategie, quasi das perfekte Verbrechen, von Giselas Gang ist die Energy-Drink-Technik: zwei Dosen klauen, austrinken, am nächsten Tag zurückgeben und dann von den fünfzig Cent Pfand Nudeln oder Joghurt kaufen. Nicht vergessen: gleich wieder zwei Dosen klauen, um den Kreislauf aufrechtzuerhalten. Genial. Neben den prekären Jobs und dem überhaupt prekären Leben Giselas geht es um ihre Popmusik-Sozialisierung, um den Bubblegum-Pop von 1999, um „Baby, One More Time“ und „Bailando“, um Bravo-Poster an Kinderzimmerwänden.
Diese Songs haben wir alle in uns drin, sagt Stokowski. „Wie Corona.“ (Einer von mehreren Virus-Witzen. Ein anderer: Dass die Pfeffis auf der Bühne der Desinfektion dienen. Noch ein anderer: Dass man bei der folgenden Signierstunde in die Armbeuge husten und anschließend die Jacke verbrennen solle.)
Britney Spears war Giselas Vorbild. Die eigene Mutter war es nicht, natürlich nicht, obwohl es die Mutter war, die alleinerziehend den Laden schmiss. Eine weitere Beobachtung Irmschlers: Viele Menschen machen ihre Mutter für alles, was in ihrem Leben schiefläuft, verantwortlich, weil die Mutter als Einzige immer da war.
Sie stoßen an, mit Pfeffis. „Auf Chemnitz?“, sagt Stokowski. „Auf Brüste“, sagt Irmschler.
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