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Frauen kommenumsonst ins Stadion

Beim Fußballverein Altona 93 müssen Frauen am Internationalen Frauentag keinen Eintritt bezahlen. Es gehe dabei nicht um Werbung, man wolle sich vielmehr bedanken

Vielleicht werden am Frauentag mehr Frauen als sonst auf den Rängen von Altona 93 stehen. Foto: Foto Claus Bergmann/imago

Von René Martens

Der Fußballverein Altona 93 hat sich für den Internationalen Frauentag am 8. März eine Aktion einfallen lassen: Da, wie es der Verein formuliert, „nicht nur in Politik, Wirtschaft sowie ganz, ganz vielen anderen Bereichen die Frauenquote und die Gleichberechtigung weiter vorangetrieben werden muss, sondern auch auf der Adolf-Jäger-Kampfbahn“, haben Frauen beim Spiel gegen den Heider SV am Sonntag freien Eintritt. Die Idee stammt von der Fan- und der Frauen- und Mädchenfußballabteilung des Vereins.

„Wir haben im Publikum bereits einen sehr hohen Frauenanteil“, sagt Jessica Weinert, kommissarischer Finanzvorstand bei Altona 93. „Es geht also nicht darum, Werbung zu machen, wir wollen uns vielmehr bedanken.“ Für Frauen, die am Sonntag zum ersten Mal im Stadion sein werden, gibt es einen Flyer, der deutlich machen soll, dass sie beim richtigen Verein gelandet sind. „Wir möchten gerne die Chance nutzen, dich darauf hinzuweisen, was uns bei Altona 93 wichtig ist. Wir stehen für Diversität und akzeptieren dich so wie du bist, ungeachtet der Hautfarbe, Religion, sexueller Identität und Orientierung, Geschlecht, Alter, Nationalität und Herkunft“, steht darauf.

Daniela Wurbs, einst Projektleiterin bei der Ausstellung Fan.Tastic Females – Football Her.Story, die seit 2018 durch die Republik tourt, findet, „grundsätzlich“ gehörten solche Aktionen „eher in die Kategorie ‚gut gemeint‘“. Denn: „Sie suggerieren einerseits, dass Frauen finanzielle Anreize beziehungsweise eine Sonderbehandlung brauchen, um überhaupt zum Fußball zu gehen, und damit implizit auch, dass sie nicht im selben Maße Fans sein können wie die Männer“. Die Protagonist*innen der Ausstellung hätten sich daher „mehrheitlich sehr klar gegen solche ‚Anreize‘ ausgesprochen“. Wurbs leitet heute KickIn, ein Inklusionsprojekt gegen Diskriminierung und für mehr Vielfalt im Fußball – und damit auch „für eine Veränderung der sozialen Umwelt und der Strukturen des Fußballs“, wie sie sagt.

Früher hat Wurbs für den Fanladen des FC St. Pauli gearbeitet. Wie käme es dort an, wenn Frauen an einem besonderen Tag freien Eintritt hätten? „Auch bei St. Pauli gibt es in der Fanszene vermutlich Frauen, die das befürworten würden“, sagt sie. „Aber die Diskussion über eine derartige Aktion wäre sehr laut.“

Nicole Selmer, stellvertretende Chefredakteurin des Fußballmagazins Ballesterer und Mitglied des Netzwerk F_in Frauen im Fußball, meint: Wenn es ein „einmaliges Ding“ wäre, wäre so eine Frauentagsaktion „total blöd“. Das träfe bei einem in Sachen Frauen- und Mädchenfußball stark engagierten Verein wie Altona 93 aber nicht zu. Tatsächlich hat der Fußballverein mit 300 Spielerinnen die größte Frauen- und Mädchenfußball-Abteilung Hamburgs.

Die HSV-Anhängerin Tanja Hufschmidt, die bei den Podcasts HSV Talk und Frauen reden über Fußball (FRÜF) mitwirkt, kann sich durchaus vorstellen, dass so eine Aktion von fußballinteressierten Frauen positiv angenommen wird. „Und wenn es sich dabei ergibt, dass Frauen sich für das ‚Stadionerlebnis‘ begeistern können und dann regelmäßig Spiele besuchen, wäre das umso besser“, sagt sie.

Es sei doch naheliegend, dass dann, wenn ein Heimspieltermin und der Internationale Frauentag zusammenfielen, man sich etwas Besonderes einfallen lasse, sagt Jessica Weinert, Funktionärin im Altonaer Verein. Ansonsten „müsste man den Frauentag an sich infrage stellen“. Sie betont: Dadurch, dass am Sonntag „ein paar Hundert Frauen“ keinen Eintritt zahlen müssen, entgingen dem Verein Einnahmen von mehreren Tausend Euro – und das angesichts eines „eh schon recht bescheidenen Etats“.

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