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Orbán gegen Ungarns Justiz

Ungarns Ministerpräsident will das Volk befragen, ob er Urteile gegen die Regierung hinnehmen müsse

Von Barbara Oertel

Ungarns nationalpopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán holt zum nächsten Schlag gegen die Justiz seines Landes aus. Bereits im kommenden Monat möchte er die Meinung seiner Landsleute bei einer Volksbefragung zu angeblichen Kompetenzüberschreitungen der dritten Gewalt einholen. Das kündigte Orbán bei seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation am Sonntag in Budapest an.

Dabei handelt es sich um Tausende Fälle, in denen der ungarische Staat Strafgefangenen Entschädigungen zahlen musste, die erfolgreich gegen unmenschliche Haftbedingungen geklagt hatten. Des Weiteren geht es um Zahlungen an eine Gruppe Roma aus der Stadt Gyöngyöspata. Die Betroffenen waren während ihrer gesamten Schulzeit getrennt von anderen Schülern unterrichtet worden und wegen Diskriminierung vor Gericht gezogen.

Die sogenannten Volkskonsultationen, bei denen entsprechende Fragebögen an alle Haushalte verschickt werden und die rechtlich nicht bindend sind, finden seit 2015 statt.

Unter dem Motto „Lasst uns Brüssel stoppen“ wurden die UngarInnen im Frühjahr 2017 um eine Einschätzung gebeten, wie die Regierung mit all den Schritten der EU umgehen solle, die Ungarns Unabhängigkeit bedrohten. Im Herbst desselben Jahres wollten Orbán und seine Regierungspartei Fidesz wissen, wie die Bevölkerung zu den angeblichen Plänen des US-Milliardärs Georges Soros steht, Ungarn mit MigrantInnen und Geflüchteten regelrecht „zu überschwemmen“.

Georges Soros, Hassfigur schlechthin für Orbán und seine Getreuen, muss jetzt wieder als Sündenbock herhalten. Die Prozesse, die zu Entschädigungszahlen an Gefängnisinsassen geführt hätten, seien von Organisationen angestoßen worden, die natürlich zum Soros-Netzwerk gehörten, sagte Orbán. Damit müsse endlich Schluss sein.

Kritiker der Regierung merkten an, dass es bei der bevorstehenden Aktion auch darum gehe, Hass gegen Roma zu schüren. Noch schwerer wiege der Versuch, die Unabhängigkeit der Justiz weiter zu untergraben.

Genau an dieser Demontage von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beißt sich die Europäische Union seit geraumer Zeit die Zähne aus. Im vergangenen Januar stellte das EU-Parlament in einer Resolution fest, dass sich die Lage in Ungarn nach der Einleitung des Rechtsstaatsverfahrens gemäß Artikel 7 verschlechtert habe und der Rat handeln müsse. Genau daran aber hapert es.

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