Barbara Oertel über den ungarischen Ministerpräsidenten
: Orbáns Kreuzzug

Da glaube mal einer, Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán verstünde nichts von seinem Job. Von wegen. Der Mann hat sein Ohr am Volk. Schon im kommenden Monat sollen sich die UngarInnen zu angeblichen Grenzüberschreitungen der Justiz äußern dürfen. Dass derartige Befragungen, die Orbán regelmäßig aus dem Hut zieht, keine juristischen Konsequenzen haben und bei der Auswertung von Transparenz keine Rede sein kann – Schwamm drüber.

Diesmal will sich die Regierung an Strafgefangenen und Roma (mal wieder) abarbeiten. Wo käme man auch hin, sollten Gefängnisinsassen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen ihre Strafe verbüßen, dafür eine Entschädigung vom Staat erhalten – frei nach dem Motto „Im Knast und noch privilegiert“?

Und dann die Roma. Die sollten doch froh sein, überhaupt eine Schule besuchen zu dürfen – wenn auch fein säuberlich getrennt von den „echten“ UngarInnen. Doch anstatt endlich mal zu arbeiten, ziehen die – in Viktor Orbáns Augen Sozialschmarotzer – auch noch vor Gericht und erstreiten dort ein Schmerzensgeld.

Hinter all diesen Fehlentwicklungen steht, wie könnte es anders sein, der US-Milliardär Georges Soros – Hassobjekt par excellence von Orbán und seiner Regierungspartei Fidesz. Soros, dessen Universität (CEU) erfolgreich aus dem Land gegrault wurde, begnügt sich Orbán zufolge offensichtlich nicht mehr damit, das arme Ungarn mit MigrantInnen und Geflüchteten zu fluten. Jetzt hat er offensichtlich auch noch bei nationalen Gerichten seine Finger im Spiel und bringt über dubiose Netzwerke Prozesse auf den Weg.

Orbáns jüngstes Ansinnen, die Justiz weiter auf Linie zu bringen, dürfte auch Brüssel wieder einiges Kopfzerbrechen bereiten. Bisher hatten Budapests Versuche, den Rechtsstaat zu demontieren, außer Ankündigungen keine Folgen. Die Eröffnung eines entsprechenden Verfahrens nach Artikel 7 hängt im EU-Ministerrat fest – dem Einstimmigkeitsprinzip und Polen sei Dank. Apropos EU: Vielleicht sollte Orbán mal eine Volksbefragung über die absurde Verschleuderung von EU-Geldern ansetzen. Dazu hätten seine Landsleute, man denke nur an den Bau einer Eisenbahn in Orbáns Heimatdorf Felcsút, wohl einiges zu sagen.

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