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Friede, Freude, Tschentscher

Die SPD feiert Hamburg als Erfolg – und rangelt, wer das Copyright auf den Sieg beanspruchen darf

Von Stefan Reinecke

Im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, passiert am Montagmorgen etwas Seltenes: Es wird gejubelt. Eine knappe Minute lang. Das Vorsitzenden-Duo, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, lächelt in die Kameras und umrahmt Peter Tschentscher, der in Hamburg mit der SPD fast 40 Prozent geholt hat.

Die Standing Ovations der SPD-Mitarbeiter sind inszeniert, aber auch Anlässe dafür sind rar geworden. Esken lobt das „sehr, sehr gute Wahlergebnis“, obwohl die SPD in Hamburg ja eigentlich 6 Prozentpunkte verloren hat. Walter-Borjans findet den Slogan „Die ganze Stadt im Blick“ vorbildlich. Man werde sich im Bund daran ein Beispiel nehmen und das ganze Land in den Blick nehmen. Hamburg als Wirtschaftsmetropole, soziale und ökologische Stadt zu verstehen sei der Schlüssel zum Erfolg gewesen. Gegenwind aus dem Bund habe diesmal ja nicht die SPD, sondern die CDU gehabt, so Walter-Borjans mit maliziösem Lächeln. Es ist ein Schlüsselsatz für das Verhalten der SPD.

Tschentscher wirkt smart und gelöst, er hat ja alle Möglichkeiten. Er wird auch mal mit der CDU in Hamburg reden, schon um den Grünen zu bedeuten, dass ihre Bäume nicht in den Himmel wachsen. Im Übrigen sei „Hamburg die schönste Stadt der Welt“. Die Frage, ob er nicht vielleicht SPD-Kanzlerkandidat werden wolle, lächelt er weg. Tschentscher hat gerade eine Bürgermeisterwahl gewonnen – und keine Neigung, diesen Job gegen einen Schleudersitz anderswo zu tauschen.

Hinter der Kulisse schönster Einigkeit, die die SPD am Montag inszeniert, tobt ein mühsam im Zaum gehaltenes Machtgerangel. In der Bundestagsfraktion glauben viele, dass Olaf Scholz Kanzlerkandidat werden sollte und dass seine Taktik, unauffällig in der Mitte zu bleiben und auf verzweifelte CDU-Wähler zu warten, richtig war. Dass der Absturz der SPD in Umfragen auf 12 Prozent ein Ergebnis von Scholz’geräuscharmem Mitregieren war, ist bei manchen in Vergessenheit geraten.

Für sie scheint das Hamburger Ergebnis Scholz zu rehabilitieren. Allerdings ist das ein gewagter, vielmehr verengter Blick. Nüchterne Technokraten und Bürgermeister wie Tschentscher und Stephan Weil in Hannover scheinen derzeit zwar die Einzigen zu sein, mit denen die SPD erfolgreich ist. Allerdings nur im Norden. Hat nicht die Karriere von Olaf Scholz gezeigt, dass das, was in Hamburg funktioniert, längst nicht überall reüssiert?

Der Kampf zwischen den Beharrungskräften, die die SPD als Mitte-Partei wollen und die neue Spitze für eine Episode halten, und Esken und Walter-Borjans, die weiter nach links blinken, findet eher im Stillen statt. Das verdankt sich der Einsicht, dass der taumelnden Union derzeit nichts gelegener käme als ein SPD-interner Krach um Fundamentales, der der Union mal aus dem Rampenlicht helfen würde. Dass es ruhig bleibt, liegt zudem daran, dass Esken und Walter-Borjans ihre Kritik an der Groko stillschweigend auf null heruntergefahren haben. Die Frage, wer die Macht hat, ist aber nur aufgeschoben.

Wie fragil der Friede ist, zeigt sich daran, dass sich manche in der SPD darüber mokieren, dass Walter-Borjans am Sonntag sagte, der SPD-Erfolg bei der Bürgerschaftswahl verdanke sich unter anderem dem „klaren Kompass“ der Bundespartei. Was hätte er sonst sagen sollen? Die Hamburger SPD war erfolgreich, obwohl wir Vorsitzende sind?

Am Montag versuchen alle solche atmosphärischen Störungen vergessen zu machen. Die SPD hat die Wahl ja gewonnen. Walter-Borjans lobt dann noch Olaf Scholz als „hervorragenden Politiker“. Die Frage nach dem Kanzlerkandidaten stelle sich derzeit allerdings nicht.

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