heute in hamburg: „Rechte Frauen nicht sexistisch verniedlichen“
Vortrag: „Frauen in der extremen Rechten: zwischen der Verteidigung von Frauenrechten und offenem Antifeminismus“, 19 Uhr, Werkstatt 3, Nernstweg 32-34, Eintritt frei
Interview Thilo Adam
taz: Frau Lang, die rechtsextreme Ideologie sah für Frauen lange nur die Mutterrolle vor. Heute sind Frauen bedeutende Akteurinnen der Rechten. Was hat sich geändert?
Juliane Lang: Das geht de facto auf feministische Kämpfe zurück. Die AfD-Politikerin Nicole Höchst bedankte sich ausdrücklich bei der ersten Frauenbewegung für das Wahlrecht. Alles, was im Feminismus danach kam, schmäht sie aber: Die Forderung nach echter Gleichheit, die Infragestellung klassischer Geschlechterrollen.
Was macht das traditionell-rechte Familienbild für Frauen noch attraktiv?
Die Gesellschaft stellt so vielfältige Anforderungen an Frauen: Karriere machen, Mutterschaft, politisch aktiv sein – manche sehnen sich nach Vereinfachung. Und die bietet die rechte Szene. Wer einfach nur Mutter sein will, erfährt dort Anerkennung.
Wie kann die Gesellschaft reagieren?
Rechte Frauen nicht sexistisch verniedlichen. Es gibt eine doppelte Unsichtbarkeit: Erstens wird Mädchen keine eigene politische Meinung zugetraut und zweitens erst recht keine so radikale, mit Gewalt assoziierte wie die rechte. Als Beate Zschäpe das Gesicht des deutschen Rechtsterrorismus wurde, hat sich das Bewusstsein zwischenzeitlich etwas geändert.
Gibt es rechtsextreme Feministinnen?
Insgesamt ist der Begriff Feminismus noch zu sehr als Feindbild markiert, als dass sich rechte Frauen leichtfertig darauf beziehen würden. Es gibt aber junge Frauen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung, die versuchen den Begriff zu besetzen. Sie fokussieren sich auf Gewalt gegen Frauen im öffentlichen Raum, auf Täter fremder Herkunft und grenzen sich gleichzeitig ab vom Feminismus.
Juliane Lang, 35, ist Mitglied im „Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus“. Aus Sicherheitsgründen möchte sie nicht, dass ihr Name öffentlich einem Foto zugeordnet wird.
Verfängt das?
Auch heute noch findet sich in fast jeder weiblichen Sozialisation die Erzählung vom gefährlichen fremden Mann. Zieh dir keinen kurzen Rock an! Geh nicht nachts in den Park! Da versuchen die Rechten anzusetzen: Sie begegnen der diffusen Angst, indem sie eine vermeintlich konkrete Bedrohung benennen. Vermeintliche, denn der gefährlichste Ort für eine Frau ist immer noch das eigene Schlafzimmer.
Was kann linker Feminismus entgegensetzen?
Wir brauchen ein differenziertes Reden über sexualisierte Gewalt. Wir müssen die Betroffenen ernst nehmen und dürfen das Thema nicht tabuisieren. Wenn wir Leerstellen schließen, haben es die Rechten schwerer, mit vermeintlich einfachen Antworten zu punkten.
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