Krieg in Syrien: Assad-Truppen töten vier Türken

Der Angriff des syrischen Regimes auf die Stadt Idlib steht bevor. Ein Beschuss türkischer Soldaten verschärft nun die Spannungen in der Region.

Flüchtende Frauen und Kinder auf einem Lastweagen

Syrische Zivilisten auf der Flucht in der Provinz Idlib Foto: ap

ISTANBUL taz | In Syrien hat das Regime von Baschar al-Assad die wahrscheinlich letzte Runde im Bürgerkrieg eingeläutet. Nach der Eroberung der zweitgrößten Stadt in der letzten Rebellenprovinz Idlib, Maaret al-Numan, rücken syrische Regimetruppen nun auf die Provinzhauptstadt vor. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums vom Montagmorgen wurden bei Beschuss durch syrische Truppen mindestens vier türkische Soldaten in Nordsyrien getötet.

Unterstützt von massiven Angriffen der russischen Luftwaffe, haben die syrischen Regimetruppen in den vergangenen Tagen nahezu den gesamten Süden der Provinz erobert und dabei auch die wichtige Autobahnverbindung M5 von Damaskus nach Aleppo wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Als Nächstes steht nun der Angriff auf die Provinzhauptstadt Idlib selbst bevor.

Vor allem die massiven Luftangriffe treiben hunderttausende syrische Zivilisten in die Flucht. Der US-Sondergesandte für Syrien, James Jeffrey, spricht von 200 Luftangriffen allein in den vergangenen drei Tagen. Kilometerlange Flüchtlingstrecks seien auf dem Weg nach Norden in Richtung türkische Grenze, berichtet unter anderem die Hilfsorganisation Save the Children unter Berufung auf ihre Partner vor Ort.

Die Zahl der Flüchtlinge, die sich in den vergangenen Wochen auf den Weg gemacht haben, schwankt zwischen 400.000, wie die UNO mitteilte, und 700.000, wie Jeffrey sagte. Dabei ist der Teil Idlibs, der an die Türkei angrenzt, bereits hoffnungslos überfüllt. Zeltstädte und improvisierte Lager wechseln sich ab, türkische Hilfsorganisationen versuchen die Menschen notdürftig zu versorgen.

Die türkische Regierung hat die Grenze gesperrt, aber Präsident Erdoğan fürchtet, dass die Situation unhaltbar wird und hunderttausende Flüchtlinge demnächst einfach über die Grenze stürmen werden. Am vergangenen Donnerstag kritisierte er erstmals öffentlich den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen der Luftangriffe. Russland halte sich offenbar nicht mehr an die Vereinbarungen, die es im sogenannten Astana-Prozess eingegangen sei, so Erdoğan.

Noch am 8. Januar hatte Putin bei einem Treffen mit Erdoğan einen Waffenstillstand in Idlib zugesagt. Am vergangenen Wochenende verschärfte Erdoğan dann den Ton: „Wir können nicht zulassen, dass unser Land bedroht wird“, sagte er. „Notfalls werden wir auch militärisch dagegen einschreiten.“

Um seine Drohung zu unterstreichen, hat Erdoğan am Sonntag von ihm kontrollierte syrische Milizen gegen Assads Truppen in Marsch gesetzt. Aus dem von der Türkei besetzten Teil Syriens bei der Stadt al-Bab, nördlich von Aleppo, eröffneten die syrischen Hilfstruppen eine neue Front gegen Assad, um so Regimekräfte vom Vormarsch auf Idlib abzuziehen.

Am Montagmorgen meldete die türkische Armee vier getötete türkische Soldaten in Idlib. Die Soldaten gehörten zu einem der zwölf Beobachterposten, die die Türkei in Absprache mit Russland zur Absicherung eines zuvor bereits vereinbarten Waffenstillstands dort eingerichtet hatte.

Später am Montagvormittag erklärte Erdoğan, die türkische Armee habe zurückgeschlagen und mindestens 35 syrische Soldaten getötet. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London sprach dagegen von sechs getöteten syrischen Soldaten und zwanzig verletzten Assad-Kämpfern. Erdoğan forderte Russland auf, den türkischen Militäreinsatz nicht zu behindern.

Erdoğan droht

Schon zuvor hatte Erdoğan gedroht, hart zurückzuschlagen, sollte einer der Beobachtungsposten von syrischen Regimetruppen angegriffen werden. Dennoch ist es nach wie vor schwer vorstellbar, dass Erdoğan türkische Truppen direkt gegen Assads Soldaten und damit indirekt auch gegen Russland marschieren lässt.

Putin hat auf diese neue Situation bislang öffentlich nicht reagiert. Erdoğan hat in Syrien nach dem versehentlichen Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs im November 2015 und der anschließenden Krise zwischen beiden Ländern immer peinlich darauf geachtet, Putin militärisch nicht in die Quere zu kommen.

Wiederholt wurden für Idlib zwischen Russland und der Türkei Vereinbarungen getroffen, die den Status quo erhalten sollen, in denen sich Erdoğan aber auch verpflichtete, die syrischen Dschihadisten daran zu hindern, russische Stützpunkte aus Idlib heraus anzugreifen.

Doch weder konnte Erdoğan die Dschihadisten unter Kontrolle bringen, noch konnte Putin Assad davon abhalten, die letzte noch von Rebellen kontrollierte Provinz gewaltsam wieder zurückzuerobern. Jetzt droht eine humanitäre Katastrophe entlang der türkischen Grenze oder eine neue Flüchtlingsbewegung, die sich dann auch an den europäischen Grenzen bemerkbar machen würde.

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