Suche nach neuen Flächen für Windräder: Rädlein im Walde

Die Flächen für Windräder werden weniger und nun entdeckt die CDU in Niedersachsen den Wald als Bauland. Ein Kniefall vor der Windkraftlobby?

Eine Fotomontage zeigt Windräder, die aus einem Wald ragen

Könnten so schön aus den Wälder hervor sprießen: Windräder Foto: Montage taz; Fotos: Jens Büttner und Patrick Seeger/ beide dpa

GÖTTINGEN taz | Die CDU in Niedersachsen, bislang nicht unbedingt als windenergiefreundlichste Partei im Bundesland bekannt, hat sich für den Bau von Windrädern im Wald ausgesprochen. Bislang hatten sich die Christdemokraten klar dagegen positioniert. Überhaupt lässt Niedersachsen in seinem Raumordnungsprogramm bislang Waldflächen für die Windenergienutzung grundsätzlich außen vor. Nur wenn keine weiteren Flächenpotenziale zur Verfügung stehen und es sich um mit technischen Einrichtungen oder Bauten vorbelastete Flächen handelt, kann die Nutzung von Waldstandorten in Frage kommen. In Niedersachsen wurden 2018 erstmals seit 2012 wieder zwei Wald-Windräder errichtet.

Bundesweit sieht das anders aus: Ende 2018 standen in Deutschland immerhin 1.977 Windräder mit einer Gesamtleistung von 5.291 Megawatt im Wald, das entspricht etwa zehn Prozent aller Anlagen. Dabei konzentriert sich die Windkraft im Wald bislang auf einige Bundesländer, vor allem Hessen (421 Anlagen mit zusammen 1194 Megawatt), Rheinland-Pfalz (354 Anlagen, 967 Megawatt) und Baden-Württemberg (272 Anlagen, 808 Megawatt). Das liegt daran, dass diese Länder über relativ viel Waldfläche verfügen. In Hessen und Rheinland-Pfalz sind jeweils mehr als 40 Prozent der Fläche von Wald bedeckt. In Niedersachsen sind es nur 25 Prozent.

Grund für den Meinungsschwenk der CDU ist, dass es im sogenannten Offenland Niedersachsen immer schwieriger und aufwendiger wird, Windkraftanlagen genehmigen zu lassen, denn vielerorts schwindet die Akzeptanz für Windenergie. Die Vorgaben für Abstände zu Wohnbebauung verringern die möglichen Flächen weiter.

Die CDU schränkt ihren Vorstoß aber auch gleich wieder ein. Der größte Teil des Waldes in Niedersachsen soll auch künftig frei von Windrädern sein, betont Fraktionschef Dirk Toepffer. In Natur- und Landschaftsschutzgebieten sei die Errichtung solcher Anlagen ohnehin tabu. Zudem müsse mindestens zehn Prozent eines Gemeindegebietes bewaldet sein, bevor dort gebaut werden dürfe – und dann auch nur auf zehn Prozent der Fläche.

Windräder im Wald gibt es in Nordrhein-Westfalen bereits, aber nun will die dortige Landesregierung den Bau von Windrädern in Waldgebieten einschränken. Verbände von Waldbauern und der Windenergiebranche protestieren.

Wichtig für die Energieversorgung seien die Windräder im Wald, heißt es in einem Appell. Außerdem könnten die Einnahmen den Waldbauern helfen, die finanziellen Folgen von Sturmschäden und Schädlingsbefall zu bewältigen.

Die Forstwirte stünden nach Stürmen wie Kyrill und der Ausbreitung von Schädlingen wie dem Borkenkäfer unter finanziellem Druck, betonen die Verbände. Aktuell habe Holz stark an Wert verloren.

Gleichzeitig müssten sie für die Wiederaufforstung hohe Summen aufwenden, die erst in Jahren Gewinne abwerfen würden. Mit der Windenergie könnten diese kritischen Zeiten überbrückt werden.

Das SPD-geführte niedersächsische Umweltministerium ist offen für die Initiative der CDU. Insbesondere in von den Stürmen der vergangenen Jahre und von Borkenkäfern zerstörten Waldgebieten seien Windparks denkbar. Im Harz und im Solling warfen Kyrill & Co Millionen Bäume um. Die von der CDU vorgeschlagenen Beschränkungen hält das Ministerium für sinnvoll.

Auch beim Bundesverband Windenergie rennt die CDU offene Türen ein. Forstflächen seien weitestgehend unbesiedelt und böten auch Standorte mit hohem Anwohnerschutz, weil der hohe Bewuchs „sichtverschattend wirksam“ sei und Geräusche dämpfe. Mit der Nutzung von Windenergie sieht der Verband auch die wesentlichen forstlichen Funktionen als gesichert an: Waldökologie, Forstwirtschaft, Erholung und Jagdbetrieb.

Skeptisch bis ablehnend äußern sich dagegen Umweltverbände wie der Naturschutzbund (Nabu) oder der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Der Umstieg auf regenerative Energien sei zwar notwendig, um die Klimaziele zu erreichen, sagt Niedersachsens Nabu-Landesvorsitzender Holger Buschmann. Er bedeute aber auch einen „tiefgreifenden Transformationsprozess“. Dieser wiederum erfordere eine zuverlässige Raumplanung und „kann nicht ernsthaft meteorologischen Zufälligkeiten oder dem Borkenkäfer überlassen werden“. Nur weil Sturm und Borkenkäfer nicht vor Landschaftsschutzgebieten oder Naturparks Halt gemacht hätten, dürften diese jetzt nicht geopfert werden, um mit Aktionismus über anderweitige Versäumnisse hinweg zu täuschen, sagt Buschmann.

Immerhin kann sich Buschmann Windräder an Waldrändern, an Wäldern direkt an Autobahnen oder auch in der Nähe von Gewerbegebieten vorstellen. Sein Stellvertreter Carsten Böhm sagt: „Naturnahe Bestände, Lebensräume seltener Arten, historisch alte Waldstandorte und geschlossene Waldgebiete müssen, ebenso wie Schutzgebiete aller Art, unangetastet bleiben.“ Gerade die Landschaftsschutzgebiete leisteten dabei unverzichtbare Dienste. „Eine brachiale Energiewende auf Kosten unserer letzten Landschaftsreserven würde irreparable Schäden verursachen und die Akzeptanz der Energiewende zerstören“, sagt Böhm

Ähnlich äußert sich der BUND. Waldgebiete für die Energiegewinnung zu öffnen, sei der falsche Weg, meint BUND-Landesvize Axel Ebeler. Windräder versiegelten Waldböden und Konflikte mit dem Artenschutz seien programmiert. Zudem seien Wälder Orte der Erholung und erfüllten eine wichtige Klimaschutzfunktion. Von Sturm oder Borkenkäfer betroffene Waldflächen müssten daher zu naturnahen und stabilen Wäldern entwickelt werden anstatt zu Windparks.

Der faktische Ausbaustopp für die Windenergie wird dem BUND zufolge durch Defizite in der Raumplanung und Hemmnisse in den Genehmigungsverfahren verursacht. In Niedersachsen fehle die konsequente Ausweisung von Vorranggebieten für die Windkraft, wichtige Datengrundlagen seien völlig veraltet und unvollständig. Zudem gebe es in Niedersachsen noch viele unausgeschöpfte Potenziale für Windenergie-Standorte, die zügig erschlossen werden müssten.

Im Wendland hat der Konflikt bereits die konkrete Ebene erreicht. Der Großgrundbesitzer – und erklärte Gegner der Gorlebener Atomanlagen – Fried Graf von Bernstorff möchte im Forst hinter dem Endlager-Erkundungsbergwerk einen Windpark errichten. Gegen das Vorhaben und generell gegen Windräder in Wäldern zieht die im Nachbarort Marleben ansässige Bürgerinitiative „Wald ohne Windkraft“ (WOW) zu Felde.

„Irreparalbe Schäden“

„Der Wald muss unangetastet bleiben und darf nicht geopfert werden“, sagt der Initiativensprecher Horst Hauster. Er leide schon genug unter den bereits vorhandenen Klimaveränderungen. Wälder seien Erholungs- und Erlebnisorte für Menschen sowie Lebensraum für Tiere und Pflanzen: „Dieses hohe Allgemeingut dürfen wir nicht den Interessen einzelner preisgeben.“

Windräder im Wald brächten für den Kreis Lüchow-Dannenberg weder wirtschaftlichen Aufschwung noch Arbeitsplätze. Stattdessen verschlechterten sie die Lebensqualität in den betroffenen Orten und Gemeinden und beraubten sie ihrer Entwicklungschancen. „Eine Energiewende mit Planierraupen und Kettensägen auf Kosten unserer Natur und Landschaft würde irreparable Schäden verursachen und noch mehr die Akzeptanz der Energiewende zerstören“, schreibt WOW in einer Mitteilung. „Der Wert des Waldes für den Klimaschutz und gegen das Artensterben wird mit dem Kniefall vor der Windkraftlobby durch die CDU zu Nichte gemacht.“

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