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: Der Verlierer

Friedrich Merz als AKK-Nachfolger? Nein, danke. Merz kann Niederlagen nicht eingestehen und strotzt vor Selbstüberschätzung. So einer ist sogar in der CDU fehl am Platz

Wenn’s ungemütlich wird, kommt von irgendwo ein Merz (meist von rechts) Foto: Angelika Warmuth/dpa

Von Ulrike Herrmann

Auweia, kommt jetzt doch noch Friedrich Merz? Diese bange Frage stellt sich jedes Mal wieder, wenn es bei der CDU zu Turbulenzen kommt. Am Montag hat Parteichefin Kramp-Karrenbauer ihren Rücktritt angekündigt – und es ist kein Geheimnis, dass Merz sie gern beerben würde. Erst als Parteichef, dann als Kanzlerkandidat.

Merz’Eitelkeit kennt keine Grenzen. Aus jeder Pore strömt seine Gewissheit, dass er ein Geschenk für Deutschland wäre. Dies hat auch sein Gutes: Merz taktiert nicht, Merz greift an. Er hält sich nicht in den Kulissen auf, um hinterrücks den Dolch zu führen, sondern prescht sofort nach vorn. Das Chaos in Thüringen war noch ganz frisch, da gab Merz schon seinen Aufsichtsratsposten bei der umstrittenen Investmentfirma BlackRock auf, weil er „die CDU noch stärker bei ihrer Erneuerung unterstützen“ wolle. Die Ansage ist klar: Hallo, hier komme ich!

Diese geradlinige Selbstüberschätzung mag erklären, warum Merz überhaupt als „Macher“ gilt. Denn objektiv ist er ein Verlierer. Seine politische Karriere war nämlich zu Ende, als er 2002 den Fraktionsvorsitz im Bundestag abgeben musste – an Angela Merkel.

Frauen zählen nicht

Normalerweise bekommen Verlierer keine zweite Chance. Aber Merz hatte ja gegen eine Frau verloren – und Frauen gelten in der CDU nicht besonders viel. Satisfaktionsfähig sind nur Männer. Deswegen zählt auch nicht, dass Merz seine zweite Chance ebenfalls vertan hat: 2018 wurde er nicht Parteichef, weil er einen katastrophalen Auftritt hingelegt hatte. Merz sprach zu lang und zu fahrig. Kramp-Karrenbauer hielt zwar keine geniale, aber eine ordentliche Rede, und dies reichte schon, um sich gegen Merz durchzusetzen.

Aber da Frauen nicht zählen, will sich Merz erneut ins Kandidatengetümmel werfen. Er wird erst aufgeben, wenn er gegen einen Mann verloren hat. Diese Gelegenheit bekommt er nun, denn an Männern wird es nicht fehlen, die sich für den Chefposten in der CDU bewerben. Zu den Kandidaten dürfte unter anderem NRW-Ministerpräsident Laschet gehören.

Es ist unwahrscheinlich, dass Merz als Sieger hervorgehen würde. Denn er bringt keinerlei politische Erfahrung mit. Diese Behauptung mag erstaunlich wirken, schließlich saß Merz von 1994 bis 2009 im Bundestag. Aber er war nur ganze zwei Jahre Oppositionsführer, und – viel entscheidender – er hat nie regiert. Er war nie Minister, weder in einem Land noch im Bund. Er weiß überhaupt nicht, wie die Exekutive funktioniert – will aber gleich Kanzler werden. Das ist typisch Merz.

Normalerweise bekommen Verlierer keine zweite Chance

Allerdings ist Merz auch ein Zauderer. Er prescht gern nach vorn, aber dann verlässt ihn doch der Mut. Der verpatzte Parteitag 2018 war dafür typisch: Merz wirkte seltsam gelöst und erleichtert, als er Kramp-Karrenbauer gratulieren durfte, dass sie nun die Parteichefin war. Seine kurze Ansprache ihr zu Ehren war weitaus besser als seine weitschweifige Bewerbungsrede.

Es kann also gut sein, dass Merz am Ende gar nicht kandidiert, sondern sich nur möglichst lange darin sonnt, dass ihn die konservativen CDUler hofieren.

Auch Merz dürfte wissen, dass es letztlich ganz egal ist, ob er als Kanzler geeignet wäre oder nicht. Er verkörpert schlicht das falsche Profil. Merz wäre ein Wiedergänger von FDP-Chef Lindner: ein neoliberaler Macho, aus dem Westen, der die Steuern senken will – und irgendwie konservativ tut. Mit diesem Programm kommen die Liberalen derzeit auf 5 bis 9 Prozent im Bund. Dieses Schicksal wollen die meisten CDU-Mitglieder ganz bestimmt nicht teilen.