das portrait
: Eigengewächs im Preisregen: US-Sängerin Billie Eilish holt fünf Grammies

Foto: Monica Almeida/reuters

Nicht Billy Idol und auch nicht Billy Childish, nein, Frau der Stunde im Pop ist die junge Künstlerin Billie Eilish. In der Nacht von Sonntag auf Montag wurde der 18-jährige US-Popstar im Staples-Center, Los Angeles, mit fünf Grammys ausgezeichnet. Wie sagt man im Fußball, wenn man sich heimlich mitfreut: Nicht ganz unverdient, denn die Songs von Billie Eilish schaffen etwas nicht Alltägliches. Es gibt aktuell kaum einen anderen Popstar, dessen Musik von Jung und Alt gleichermaßen gemocht wird. Eilish-Sound kriegt die Grätsche zwischen Trap-Beat und Beatles-Refrain, R & B-Gelenkigkeit und Herzschmerzballade mit Dancefloor-Wummern locker hin.

Natürlich kam Billie Eilish letztes Jahr nur mit Majorlabel-Powerplaypromotion wie ein Phönix aus der Asche der darbenden Musikindustrie ganz nach oben, aber anders als die Retortenbabys der Nuller und Zehnerjahre, die in Disney-Themenparks und Hitfabrikklitschen in Florida unter sklavischen Laborbedingungen gleichsam herangezüchtet wurden, hat sich die Eilish als Figur in ihrem Kinderzimmer – auch im pubertären Protest gegen die Eltern – selbst erfunden. Eilish, die eigentlich Pirate Baird O’Connell heißt, kommt zwar aus einer Schauspieler- und Musikerfamilie. Doch bevor sie mit eigenen Songs an die Öffentlichkeit trat, die ihr Bruder auf Soundcloud hochgeladen hatte, hatte sie in Los Angeles lediglich in einem Kinderchor gesungen. Billie Eilish schreibt alle Texte und ist zumindest mitbeteiligt beim Komponieren. Außerdem bestimmt sie ihr Image selbst. Was davon „glaubwürdig“ ist, was geschickte Inszenierung von künstlerischer Integrität, bleibt unklar.

Dass es so einen Preisregen geben würde, war trotzdem nicht unbedingt zu erwarten gewesen, noch weniger, dass der Teenager in allen Grammy-Top-Kategorien abräumen würde: „Album of the Year“ für ihr im März 2019 veröffentlichtes (und bis heute dreieinhalb Millionen Mal verkaufte) Debüt „When we all fall asleep, where do we go“; für Selbiges erhielt sie auch gleich zusätzlich die Auszeichnung explizit für die Gesangsarrangements, „Best Vocal Pop Album“. Außerdem „Single of the Year“ für ihren Smasher „Bad Guy“, den Song mit der pfeifbaren Synthie-Hookline, der inzwischen auch als nervig-schöner Klingelton von Millionen Handys bimmelt. Weil das Lied eine erfolgreiche Single war, wurde „Bad Guy“ auch gleich zum „Record of the Year“. Die Plattenindustrie freut sich mächtig, früher waren Verkaufszahlen viel besser, daher ist man doppelt froh über so ein Ereignis: das rundum vermarktbare Eigengewächs Billie Eilish, das auch von familiärer Unterstützung profitieren konnte.

Denn auch ihr Bruder Finneas erhielt zwei Grammys, einmal für die Aufnahme „Best engineered album – non classical“ und für seinen Produzentenjob als „Producer of the Year – non classical“. Gemeinsam mit ihrem Bruder spielte Billie Eilish Sonntagnacht den Song „When the Party’s over“. Hoffentlich bedeutet der anschwellende Rummel nun nicht, dass die junge Frau von der Tournee- und TV-Show-Knochenmühle zermalmt wird. Julian Weber