Kommunalpolitiker über rechte Hetze: „Viele geben auf“

Weil er rechte Anfeindungen nicht mehr ertragen konnte, ist Arnd Focke als Bürgermeister zurückgetreten. Er denkt, dass er kein Einzelfall ist.

Arnd Focke vor einer Backsteinwand.

Arnd Focke, zurückgetretener Bürgermeister der Gemeinde Estorf Foto: Julian Stratenschulte/dpa

taz: Herr Focke, weil Sie sich für Geflüchtete und gegen Rechts engagieren, wurden Sie angefeindet. Nun sind Sie als ehrenamtlicher Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde Estorf zurückgetreten. Wann haben die Angriffe gegen Sie begonnen?

Arnd Focke: Erstmals während der sogenannten „Flüchtlingskrise“. Natürlich hatte auch unsere Gemeinde Familien aufgenommen und auch bei uns haben sich motivierte Junge Leute gefunden, die sich ehrenamtlich engagiert haben. Allerdings gab es auch die andere Seite, Aufkleber mit „Nazizone“ oder Hakenkreuze. Das haben wir zur Anzeige gebracht und uns klar positioniert. Auch auf Facebook.Weiter ging es dann 2018, als sich die AFD am 20. April, also an Hitlers Geburtsdatum, bei uns im Dorfgemeinschaftshaus zu einer „Informationsveranstaltung“ eingemietet hat. Das ist demokratisch legitim, aber eigentlich eine reine Provokation, der wir mit einer Demonstration und ebenfalls klaren Statements begegnet sind.

Gab es darauf dann rechte Reaktionen?

Ja, erste nächtliche, anonyme Anrufe und die üblichen Kommentare bei Facebook. Damit konnte ich noch umgehen. Vor Weihnachten 2019 hat sich die Situation dann zugespitzt. Es gab Zettel mit „Geh zu Deinen Ziegenfickern“ oder noch schlimmer: „Wir vergasen Dich mit der Antifa“ im Briefkasten. Und einige Nächte Hakenkreuze auf der Heckscheibe meines PKW.

Was hat für Sie nun den Ausschlag gegeben zurückzutreten?

Die Zuspitzung um Weihnachten hat meine persönliche Grenze des Erträglichen überschritten und ich habe nach ein, zwei schlaflosen Nächten die Entscheidung getroffen. Zum Schutze meines Sohnes, aber auch des Amtes. Denn bei den Anfeindungen geht es um meine Person und meine klare Haltung gegen Rechts.

Arnd Focke, 48, SPD-Politiker und hauptberuflich tätig im Kundenservice der deutschen Telekom, war bis zu seinem Rücktritt acht Jahre lang ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Estorf in Niedersachsen.

Wie geht es Ihnen nach dem Rücktritt?

Ich bin mit der Entscheidung zufrieden, bedauere es für meine Gemeinde, es war aber alternativlos.

In Ihrer Rücktrittsrede sagten Sie, dass rechte Hetze demokratische Strukturen zu Fall bringen wolle. Was meinten Sie damit?

Ich glaube, nicht jeder Kommunalpolitiker, der angibt wegen „beruflicher Belastung“ oder „gesundheitlichen Gründen“ zurückzutreten auch wirklich deshalb zurücktritt. Ich denke, dass viele unter Druck von Rechts oder wegen anderen Anfeindungen aufgegeben haben.

Wollen Sie sich weiter zivilgesellschaftlich engagieren?

Ich bleibe klar positioniert und weiche nicht zurück. Ich gehe eher noch in die Offensive. Und ich sehe nicht nur die Politik oder den Staatsschutz in der Verantwortung. Es fängt in unserer Mitte an: Wenn wir zu Hass nicht klar „Nein“ sagen, kann auch die Gesetzgebung nichts bewirken.

Und wie geht es für Sie beruflich weiter?

Eine Rückkehr in die Kommunalpolitik ist ausgeschlossen. Da ich ohne ein Ehrenamt nicht kann, werde ich nach einer Pause entscheiden, wie ich mich einbringen kann. Ich kann mir vorstellen, mit jungen Menschen zu arbeiten, um Dinge wie Wertschätzung, Haltung, Toleranz und Respekt zu vermitteln.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.