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Die Propaganda kontern

Mit internationaler Hilfe hat der Journalist Faruk Dalhatu einen Radiosender aufgebaut, um gegen die Islamisten von Boko Haram zu kämpfen

Demons­trant*innen fordern die Freilassung der 276 Schülerinnen, die von der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram aus einem nigerianischen Internat entführt wurden Foto: Future Image International/imago

Die Nachricht ging um die ganze Welt: In der Nacht vom 14. auf den 15. April 2014 verschleppte die islamistische Terrorgruppe Boko Haram insgesamt 276 Schülerinnen aus der Sekundarschule in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias. Bis heute sind viele nicht zu ihren Familien zurückgekehrt. Das Verbrechen zog die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf sich. Diese verurteilte die Tat einstimmig – und gelobte, Nigeria in seinem schon länger andauernden Kampf gegen die 2002 gegründete Boko-Haram-Sekte zu unterstützen. Ihr Name lässt sich etwa als „Westliche Bildung ist verboten“ oder „Verwestlichung ist ein Sakrileg“ übersetzen.

Der Kampf gegen Boko Haram ist auch ein Kampf gegen die Propaganda der Islamisten. Doch die Voraussetzungen, um dieser etwas entgegen zu setzen, waren schlecht. Die funktionierenden UKW-Sender im Nordosten Nigerias hatten damals meist eine Reichweite von weniger als 80 Kilometern. Doch im Staat Borno, dem Epizentrum des Boko-Haram-Aufstands, gibt es Orte, die über 200 Kilometer von der Provinzhauptstadt Maiduguri entfernt sind. Damals brachte Boko Haram vor allem solche entlegenen Gebiete, die auch außerhalb der Reichweite der staatlichen Medien liegen, unter ihre Kontrolle.

Die US-Entwicklungsagentur USAID half dabei, das Dandal Kura Radio aufzubauen. Der Name bedeutet in der lokalen Kanuri-Sprache „Großer Treffpunkt“: Ein Kurzwellenradio, das die gesamte Region des Tschadsee-Beckens abdecken und die Propaganda von Boko Haram kontern sollte. Ein Radioprogramm gegen den Islamismus, mit einer positiven Gegenerzählung und Hilfsangeboten für die Gemeinden, die unter dem Aufstand zu leiden haben.

ist Chefredakteur des Dandal Kura Radio in Maiduguri.

Im Januar 2015 ging das Dandal Kura Radio auf Sendung – zunächst aus Kano, ab 2016 schließlich aus einem Funkhaus in Maiduguri – dem Zentrum der Angriffe. Diese haben nach einer Schätzung der Weltbank mehr als 2 Millionen Menschen vertrieben. Im Bundesstaat Borno sind demnach etwa ein Drittel aller Privathäuser, mehr als 500 Bildungseinrichtungen, über 1.600 Brunnen, 1.200 Verwaltungsgebäude, mehr als 200 Gesundheitseinrichtungen und über 70 Polizeistationen zerstört worden.

Aus Maiduguri sendet Dandal Kura Talkshows, auch solche von und für Frauen. Hörer*innen können anrufen und ihre Sorgen und Beschwerden in Livesendungen loswerden. Die Redaktion berichtet über Familien, die durch Angriffe der Aufständischen getrennt wurden, um diese wieder zusammenzubringen. Zu den Themen zählen Menschenrechte, speziell Frauenrechte. Weil Boko Haram vor allem junge Frauen von Bildung fernhalten will, berichtet der Sender ausführlich über das Recht, das Mädchen auf einen Schulbesuch haben – und über geschlechtsspezifische Gewalt. 18 KorrespondentInnen liefern für eine tägliche einstündige Nachrichtensendung Berichte aus den Ländern des Tschadseebeckens: Kamerun, Tschad, Niger und Nigeria. Wer nicht zuhören kann, kann alles auf einer Website in Englisch, Kanuri und Hausa nachlesen.

Die Finanzierung durch USAID lief im August 2017 aus. Der Sender arbeitet weiter mit humanitären Akteuren wie dem UN-Entwicklungsprogramm, Ärzte ohne Grenzen, dem Roten Kreuz, Oxfam, Unicef oder der Weltgesundheitsorganisation zusammen. Sie alle sind auf den Sender angewiesen, wenn sie Botschaften in den ländlichen Regionen verbreiten wollen. 37 Frauen und 21 Männer arbeiten heute beim Dandal Kura Radio. Es ist die einzige Plattform in der Region, auf der Menschen ihre unterschiedlichen Ansichten frei und ohne Angst äußern können.

Der Sender berichtet ausführlich über das Recht, das Mädchen auf einen Schulbesuch haben

Dass das Dandal Kura Radio seine Mission erfüllt, zeigte sich bald: Am 17. März 2017 veröffentlichte Abubakar Shekau, der Anführer der Boko-Haram-Sekte, eine Videobotschaft. Es war eine Tirade gegen den Sender, vor allem gegen seine weiblichen Mitarbeiterinnen. Das Radio wurde zu einem Ziel von Angriffen erklärt. Die Redaktion geriet zunächst in Panik. Doch schließlich wertete sie die Nachricht als Bestätigung ihrer Arbeit: Sie zeigt, dass die Botschaften des Senders die oberste Führungsebene von Boko Haram erreichen – und ihnen nicht gefallen.

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