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„Man kommt mehr zu einer inneren Ruhe“

Der Umstieg auf biologischen Anbau ist kein Spaziergang. Der Obstbauer Cord Lefers aus Jork im Alten Land hat es trotzdem gemacht

Interview Juliane Preiß

taz: Herr Lefers, seit 243 Jahren baut Ihre Familie im Alten Land Obst an. Seit diesem Jahr haben Sie komplett auf Bio umgestellt. Warum?

Cord Lefers: Der Bioanbau ist eine Option, die uns gefiel, um das Rad einfach mal ein bisschen langsamer laufen zu lassen. Wir müssen wieder lernen zu akzeptieren, was die Natur uns bringt.

Und was bringt sie, die Natur?

Jedes Jahr wieder neue Überraschungen. Mit dem Klimawandel kommen mehr Wetterextreme wie der Hagel im vergangenen Jahr, der 80 Prozent der Ernte zerstört hat. Und außerdem immer wieder neue Schädlinge, die vom Süden her hier einwandern.

Das klingt eher demotivierend. Warum haben Sie trotzdem den Umstieg gewagt?

Es gibt einen ganzen Blumenstrauß an Gründen. Aber maßgeblich waren die Rückmeldungen aus dem Hofladen. Als unsere Kunden erfuhren, dass wir auf biologischen Anbau umstellen wollen, waren die meisten interessiert und aufgeschlossen. Das hatte ich so nicht erwartet. Ich hatte mit mehr Gegenwind gerechnet, zumindest bei den Stammkunden.

Gab es sonst noch Gründe?

Der Meister unseres Betriebs und ich haben jahrzehntelang das Gleiche gemacht und wir wollten kein „Weiter so“ mehr. Wir wollten etwas grundlegend verändern.

Warum war „Weiter so“ keine Option?

Die Betriebe im Obstbau müssen, um wirtschaftlich zu bleiben, wachsen oder eine Nische finden. Es gibt zum Beispiel Betriebe, die zum Wochenmarkt fahren, andere produzieren Apfelchips oder Cider, manche eröffnen Cafés. In der eigentlichen Obstproduktion ging es nur um höher, schneller, weiter, und das war nicht unser Weg.

Was meinen Sie mit „höher, schneller, weiter“?

Der Markt wird globaler und andere Länder können unter anderen Voraussetzungen billiger produzieren, drängen aber auf den gleichen Markt. Ein Beispiel: Wenn der polnische Apfel mit auf den deutschen Markt drängt, muss das nicht heißen, dass der Einzelhandel den polnischen Apfel auch kauft, aber der Preis steht nun Mal im Raum und an diesen muss sich der deutsche Preis anpassen. Durch die Globalisierung steigen immer mehr Länder in das Geschäft ein, dadurch kommt immer mehr Ware auf den Markt. Zu Opas Zeiten war noch alles regional, aber das hat sich drastisch verschoben. Wir wollten nicht um jeden Preis wachsen.

Und wie geschieht der Umstieg auf biologischen Anbau?

Das war ein längerer Prozess. Vor etwa sechs Jahren kam die Idee, den Betrieb umzustellen. Wir haben uns andere Höfe angeschaut und Informationsveranstaltungen besucht. Zum 1. September 2017 haben wir den Betrieb umgestellt. Und von diesem Datum dauert es dann drei Jahre, bis die Ware auch Bioware heißen darf. Im September dieses Jahr ernten wir dann offiziell bio.

Was hat sich in Ihrem Arbeitsalltag geändert?

Der Bioanbau stellt den Obstbauer vor andere Voraussetzungen. Bioanbau braucht den Obstbauern noch mehr als der konventionelle Anbau. Und das war einer der Gründe, die mich haben zögern lassen, denn ich wollte es für mich ja nicht unbedingt schwieriger machen.

Wurde es schwieriger?

Es ist eine Herausforderung, die man annehmen muss. Es werden andere Schwerpunkte gesetzt. Einer ist das Thema Pflanzenschutz. Im Gegensatz zum konventionellen Anbau verzichten wir auf chemische, synthetische Mittel. Das funktioniert auch, man muss nur spontaner sein.

Spontaner?

Zum Beispiel beim Schorfpilz, der macht diese schwarzen Punkte auf den Äpfeln. Der Schorfpilz richtet sich nach dem Regen. Wenn es zum falschen Zeitpunkt einen ungünstigen Schauer gibt, muss man sofort Gewehr bei Fuß stehen. In diesem Fall spritzen wir auch im biologischen Anbau mit Kupfer und Netzschwefel.

Gibt es andere Möglichkeiten?

Wir kriegen das in den Griff, indem wir neue Sorten anbauen, die gegen den Schorfpilz resistent sind, die aber im konventionellen Anbau wenig Beachtung finden wie Topaz, Santana oder Natyra.

Und wie werden Sie dem Unkraut Herr, wenn Sie keine Herbizide einsetzen?

Unkraut ist ein Konkurrent des Baumes um Wasser und Nährstoffe und es bietet Mäusen viele Verstecke. Im Bioanbau kann man es nur mechanisch mit geeigneten Maschinen bekämpfen. Das bedeutet auch mehr Handarbeit mit der Hacke. Und der Mehraufwand an Arbeit geht einher mit einer Reduktion des Ertrages von rund einem Drittel. Weil der Baum es eben doch ein bisschen schwerer hat, wenn man die Natur alleine machen lässt.

Weniger Ertrag, mehr Arbeit. Sie wirken trotz alledem erstaunlich gelassen.

Auch wenn es mehr Arbeit ist, kommt man mehr zu einer inneren Ruhe. Ich akzeptiere, was die Natur mir an Aufgaben stellt. Ich habe gelernt, dass nicht alles perfekt sein kann. Ich musste meinen Beruf, Gärtner mit Fachrichtung Obstbau, nochmal neu lernen.

Wie?

Man sieht die Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Ich musste zum Beispiel lernen, dass man Schädlinge wie die Blutlaus einfach akzeptieren muss, weil sie im biologischen Anbau nicht bekämpft werden kann. Man hat nur die Optionen Zugucken und auf die Blutlauszehrwespe warten, die als einzige gegen die Blutlaus helfen kann.

, 41, betreibt in der achten Generation den Obsthof Lefers in Jork. Er hat im Alten Land und am Bodensee gelernt und Erfahrungen in den Niederlanden, Neuseeland und Chile gesammelt.

Welche Schwierigkeiten bringt der Klimawandel?

Es kommen neue Probleme wie der Sonnenbrand, der durch große Hitze in den Äpfeln entsteht. Und es kommen neue Schädlinge. Den Apfelwickler, deren Larven die Würmer im Apfel sind, gab es vor 20 Jahren hier so gut wie gar nicht. Durch die immer wärmeren Temperaturen fühlt er sich hier sehr wohl.

Was hilft gegen den Wurm?

Zum Beispiel Vögel. Damit die sich ansiedeln, helfen wir mit Sträuchern, Hecken und Gehölzen. Als Obstbauer muss man darauf achten, dass Nützlinge kommen und bleiben. Deswegen haben wir auch das erste Mal großflächig auf einem Hektar Blühfläche angebaut, mit finanzieller Unterstützung unserer Kunden.

Was bedeutet der warme Winter für Sie?

Das ist ein echtes Problem. Die Bäume brauchen den Frostreif und sie brauchen auch eine Phase der Erholung. Die haben sie nicht und treiben gleich wieder aus, was man an den dicken Knospen jetzt schon sehen kann. Das bedeutet, wenn es später friert, müssen wir wesentlich mehr mit der Frostschutzberegnung arbeiten. Das bedeutet mehr Arbeit, mehr Wasserverbrauch, welches über Umwege aus der Elbe kommt. Und mit jeder Elbvertiefung wird das Wasser salziger und ist damit weniger brauchbar, denn salziges Wasser gefriert nicht.

Aber Sie sind aber auch angewiesen auf die Politik.

Die Hamburger Politik fördert den Umstieg auf Bioanbau sehr stark, vor allem die Beratung. Die Förderung ist ganz nett, man benötigt trotzdem ein gutes Polster, um den Umstieg finanziell zu ermöglichen. Maschinen wie der Krümler zur Unkrautbearbeitung kosten 30.000 Euro, Schutznetze gegen Hagel liegen bei 50.000 Euro pro Hektar. Das geht nicht ohne finanzielles Risiko. Und wenn Anbauer aus dem Ausland mitkriegen, dass Bioware hier guten Absatz findet, und auf den Markt drängen, dann wird es schwer mitzuhalten.

Haben Sie den Schritt zum biologischen Anbau schon mal bereut?

Nein. Ich könnte ja auch von heute auf morgen zurück und wieder synthetische Pflanzenschutzmittel anwenden und meine Ware konventionell vertreiben. Das wäre ja ganz einfach, aber davon bin ich sehr weit entfernt.

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