: Die Revolution des Kaffeetrinkens
Vier Kollektive wollen in Hamburg mit solidarischem Kaffeehandel Alternativen aufzeigen – und Schule machen
Von Yasemin Fusco
Aus Solidarität mit revolutionären Bewegungen in Lateinamerika sind in den vergangenen Jahrzehnten in Hamburg vier Kollektive entstanden, die Kaffee direkt von Kleinbauern-Kooperativen importieren. Ihr Anspruch, auf Augenhöhe und solidarisch mit dem Partner vor Ort zu arbeiten, soll gerade am Kaffeestandort Hamburg Schule machen. Vom Begriff des „fairen“ Kaffees distanzieren sich El Rojito, Café Libertad, Aroma Zapatista und Quijote Kaffee. Wirtschaftliches Handeln soll für die Kollektive ethisch und vor allem politisch vertretbar sein.
Das älteste, El Rojito, hat sich bereits im Jahr 1987 gegründet – ursprünglich, um die sandinistische Revolution in Nicaragua zu unterstützen. Den konventionellen Welthandel lehnen die Kollektivisten ab, weil er zu Lasten der wirtschaftlich Schwächeren gehe und den Kleinbauern schade. Übersetzt aus dem Spanischen heißt El Rojito „der kleine Rote“ – eine doppelte Anspielung auf die unbearbeitete rötliche Kaffeekirsche als Rohstoff und auf die politische Haltung der Kaffee-Liebhaber*innen. Ihr klassischer Filterkaffee kommt bis heute vor allem aus Nicaragua. Dazu verarbeiten sie Hochland-Kaffee aus El Salvador, Honduras, Bolivien und Kolumbien zu Espresso.
El Rojito zahlt den Kleinbauern-Kooperativen Preise, die im Gegensatz zu denen vieler Supermarktketten wirklich fair sind: Der Preis liegt bei den Vereinen über dem „Fairtrade“-Niveau; garantierte Mindestpreise und Prämien für die selbstverwalteten Gemeinden vor Ort gehören zum Grundgedanken des solidarischen Handelns mit den Erzeugern. „Wir wollen möglichst große Mengen von den Kleinbauern-Kollektiven abnehmen, damit sich das auch für sie rechnet“, sagt Ralf Müller von El Rojito.
Ihre Emissionen durch Transport und Logistik wollen die kleinen Roten hingegen weiter senken: Mittlerweile wird ein Viertel des Kaffees im Wert von etwa einer halben Million Euro mit Lastenrädern in die ausgewählten Läden geliefert, sagt Müller. Und der neueste Schrei ist „Café Vela“, der mit dem Frachtsegler „Avontuur“ über den Atlantik geschippert kommt.
Das Kollektiv Café Libertad hat sich 1999 gegründet und verkaufte ursprünglich nur Kaffee aus dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas, um die zapatistische Widerstandsbewegung zu unterstützen. Inzwischen sind Bohnen aus El Salvador, Honduras und von indigenen Kooperativen in der kolumbianischen Konfliktregion Cauca hinzugekommen. Café Libertad stellt den zapatistischen Gemeinden auch Fördermittel zur Verfügung – Seit 1999 in Höhe von rund 450.000 Euro. Café Libertad bietet den Kooperativen vor Ort auch Vorfinanzierungen auf kommende Kaffee-Ernten an, damit sie beispielsweise Vorbereitungen auf den Export bezahlen können.
Vier Gründer*innen von Aroma Zapatista arbeiteten für Café Libertad, bis es 2012 zur Spaltung kam. Die genauen Gründe wollen beide Seiten nicht verraten. Auf der Website von Aroma Zapatista ist heißt es, es habe „unauflösbare inhaltliche und persönliche Differenzen“ gegeben. „Über die genauen Hintergrunde und die Rahmenbedingungen der Trennung haben wir Stillschweigen vereinbart, um die zukünftige Arbeit nicht mit gegenseitigen Vorwürfen zu belasten“, heißt es weiter. Auf taz-Nachfragen wollte Aroma Zapatista vor dem nächsten Plenum am 22. Januar nicht eingehen.
„Wir beziehen uns im Gegensatz zu den anderen Firmen nicht auf ein ‚politisches‘ Publikum, sondern in erster Linie auf die Kaffeebranche“, heißt es vom Kollektiv Quijote. Gründer Andreas Felsen war 1999 ebenfalls an Café Libertad beteiligt. Auch Quijote lehnt die klassischen kapitalistischen Handelsbeziehungen ab. Für ihren Arabica zahlen sie einen Mindestpreis von 2,90 Dollar pro Pfund – doppelt so viel, wie für das „Fairtrade“-Siegel nötig wäre. Quijote verzichtet ganz auf Fairness- oder Öko-Siegel als Verkaufsargument und will die Qualität des Kaffees für sich sprechen lassen.
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