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Mit der Drahtbürste gegen Siegrunen

Wanderwege in der Region Osnabrück wurden mehrfach mit Nazischmierereien verschandelt. Die Parkverwaltung distanziert sich

Von Harff-Peter Schönherr

Eigentlich ist ein Waldspaziergang ja was Schönes – zum Durchatmen, den Kopf freikriegen. Aber wer zum Jahreswechsel 2019 im Gehn unterwegs war, einem Höhenzug nordwestlich von Bramsche in Niedersachsen, vom Wanderparkplatz Forsthaus Hesepe aus auf der Wanderroute Kettelsberg des Natur- und Unesco -Geoparks Terra Vita, dem verging schon nach wenigen Metern die Lust.

Nicht, weil der Parkplatz eine Müllhalde ist und hinter vielen Bäumen Toilettenpapier vor sich hin rottet. Das sind die Wanderer hier gewohnt. Nein, dieses Mal waren viele der neuen, roten T-Markierungen des „Terra Tracks“ schwarz übermalt. „NPD“ stand da, Hunderte von Metern weit ins hügelige Grün hinein.

Außerdem klebten dort schwarze Aufkleber, ebenfalls mit den Buchstaben „NPD“ und einem weißem Pfeil. Deutrichtung: rein in den Wald. In weiteren Schmierereien zeigte sich ein Ideologiemix aus Rechtsextremismus und Satanismus: „NPD“ plus auf dem Kopf stehendem Kreuz und mehreren 6en. „Semen of Satan“, steht dort, samt fünfzackigem Ziegenkopfhorn-Stern, die S-Buchstaben als Siegrunen.

Alarmiert durch einen ihrer Natur-Guides, reagierte Terra Vita schnell: Ein Park-Mitarbeiter hat die über ein Dutzend Schmierereien zunächst provisorisch per Drahtbürste entfernt. Zuvor waren zwei Guides die Wege abgegangen und haben alles dokumentiert.

Es ist nicht der erste Besuch von Rechtsextremen: Auf der Facebookseite des Parks heißt es: „Zum wiederholten Male verschandeln rechte Schmierereien unsere Wanderroute.“ Und weiter: „Es reicht! Das wollen wir nicht! Wir distanzieren uns ganz deutlich davon!!!“

Zeitgleich gibt auch der Landkreis Osnabrück, in dem der Natur- und Geopark liegt, eine Erklärung gegen die „rechten Schmierereien“ der Unbekannten heraus. Landkreis-Sprecher Henning Müller-Detert dazu: „Solche Vorfälle finden wir natürlich überhaupt nicht gut.“ Spaziergänger bittet er um Mithilfe: „Wir würden uns freuen, wenn jemand, der Auffälligkeiten bemerkt, sie Terra Vita meldet.“ Der Vorfall sei bei der Polizei angezeigt worden.

Offenbar gibt es rund um Osnabrück Probleme mit Rechten; über einem Haus unweit des Gehn weht von Zeit zu Zeit eine Reichskriegsflagge. „Es gibt eine rechte Szene in der Region“, bestätigt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). „Im Landkreis ist sie stärker als im Stadtgebiet ausgeprägt. Die Zahlen steigen aber nicht signifikant.“ Dafür verändere sich die Szene. Früher sei sie organisierter gewesen, „etwa in Parteien und Kameradschaften“. Heute gebe es „eher lose Zusammenschlüsse. Viele seien im Internet aktiv. Aber in der analogen Welt zeigen sie sich eben auch.

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