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Erinnerungen an Varazdin

Nach der 26:33-Niederlage gegen Spanien muss sich eine perplexe deutsche Mannschaft erst wieder sammeln. Aber noch ist bei der EM alles möglich

Aus TrondheimMichael Wilkening

Hendrik Pekelers Blick wurde aggressiver, die Augen funkelten. Vermutlich hatte der Abwehrchef der deutsche Handballer befürchtet, dass ihm irgendwann diese Frage gestellt werden würde, weil sie gestellt werden musste. „Nein“, sagte er bestimmt und die Mimik verdeutlichte die Klarheit dieses einen Wortes. Pekeler war gefragt worden, ob sich aus der Niederlage gegen die Spanier Parallelen zur EM vor zwei Jahren ableiten lassen.

Bei der EM in Kroatien beendeten die Deutschen das Turnier mit einer in der Art und Weise blamablen Pleite gegen Spanien. Im Ergebnis wiederholte sich die Geschichte am Samstag in Trondheim, allerdings nicht in der Tragweite. Nach dem 26:33 gegen die Iberer ist die EM für die Auswahl des Deutschen Handballbundes noch nicht beendet – und die Gründe für die Pleite waren andere. „Die Spanier waren auf jeder Position besser als wir“, räumte Uwe Gensheimer ein. Der Kapitän der Nationalmannschaft schlich mit gesenktem Kopf aus dem Spektrum in Trondheim. Die Enttäuschung und der Frust der deutschen Spieler waren greifbar, was daran lag, dass Anspruch und Wirklichkeit im zweiten Gruppenspiel so meilenweit voneinander entfernt waren. „Das Ergebnis passt zu 100 Prozent, wir waren sechs bis zehn Tore schlechter“, fasste Bob Hanning die 60 Minuten zusammen. Dem DHB-Vizepräsidenten fehlte wie jedem im Lager der deutschen Handballer eine Erklärung für den schwachen Auftritt. „Wir haben keinen Leistungsträger gehabt, der sein Niveau erreicht hat.“

Im Gegensatz zu der Niederlage vor zwei Jahren in Varazdin gegen den gleichen Gegner lagen die Gründe nicht in einem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen den Spielern und Bundestrainer Christian Prokop, sondern im fehlenden Vertrauen auf sich selbst. „Wenn du nicht mit 100 Prozent auf die Abwehr draufgehst, sondern nur Alibi-Kreuze spielen willst, dann ist das genau das, was die Spanier haben wollen. Und genau das haben wir heute geliefert“, erklärte Pekeler. Der Abwehrchef war mit fünf Toren erfolgreichster Werfer, blieb aber trotzdem wie die Kollegen unter dem eigenen Niveau. „Es ist jetzt so, wie es ist: eine Katastrophe.“

Er und seine Kollegen wirkten vor dem Spiel sehr konzentriert und entschlossen. Sie wollten mit einem Sieg über Spanien eine Botschaft an die Konkurrenz und an sich selbst senden, dass bei dieser EM mit ihnen zu rechnen ist. Ihnen war bewusst, dass sie mit einem Erfolg die Chance auf die Halbfinal-Qualifikation erheblich vergrößern können – die Nationalspieler waren sichtlich bis in de Haarspitzen motiviert. Vielleicht liegt darin ein Grund für die haarige Anfangsphase, die zu einem 1:6-Rückstand nach nicht einmal zehn Minuten führte. Drei Fehlabspiele leisteten sich die Deutschen in dieser Phase, drei klare Chancen ließen sie ungenutzt. „Es war das Worst-Case-Szenario“, sagte Keeper Johannes Bitter. Die Verunsicherung griff wie ein Bazillus um sich. Die Deutschen wollten zu viel, verlangten von sich selbst zu viel und wurden von stark und cool aufspielenden Spaniern dafür hart bestraft.

Mit einem erwartbaren Sieg am Montag (18.15 Uhr) gegen den krassen Außenseiter Lettland dürften sich die Deutschen für die Hauptrunde qualifizieren, werden dann aber mit null Punkten in die zweite Turnierphase starten. Die ursprüngliche Zielsetzung Halbfinale wird schwieriger zu erreichen sein, aber sie ist auch nicht unmöglich geworden. „Nein, die Ziele muss man nicht abhaken“, sagte Prokop: „Wir haben heute aufgezeigt bekommen, dass wir, wenn es nicht richtig läuft, schon Probleme haben.“ Es bedarf einer klaren Analyse des schwachen Auftritts. „Ich hoffe, dass wir ehrlich zueinander sind“, sagte Hanning. Wenn das passiert, bietet die Klarheit der Niederlage die Chance, einen Schritt voranzukommen.

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