Iranische Angriffe auf US-Militärbasen: Rechnung ohne Trump

Nach den Militärschlägen äußert sich Irans Regierung auffallend gemäßigt. Ob der Konflikt eskaliert, hängt jetzt vor allem vom US-Präsidenten ab.

Menschen demonstrieren auf einer Straße

Student*innen demonstrieren am Mittwoch in Basra im Südirak gegen die Politik der USA und des Iran Foto: reuters

KAIRO taz | Die iranische Antwort kam nur wenige Stunden nach der Beerdigung des von den USA im Irak getöteten iranischen Generals Qasem Soleimani – zu selben Uhrzeit, zu der der General am Freitag getötet worden war.

Die erfolgte, nicht wie von vielen erwartet, von Seiten der zahlreichen schiitischen Milizen, die der Iran im Irak kontrolliert, sondern aus dem Iran selbst. Wohl ein Statement, dass man die Rache in die eigene Hand nehmen will. Aber vielleicht auch, weil die Iraner die Verhältnismäßigkeit ihrer Antwort voll unter eigener Kontrolle haben wollten. 22 ballistische Raketen wurden vom Iran aus abgefeuert, die meisten auf die Militärbasis Al-Asad im Irak, in der auch US-Soldaten stationiert sind.

Es gab offenbar keine oder nur wenige Opfer. Das deutet darauf hin, dass die Iraner, vor allem nach den Massenaufläufen bei Soleimanis Begräbnis und bei all der Mobilisierung und dem Aufheizen der Gemüter im eigenen Land zwar praktisch gezwungen waren, eine Militäraktion durchzuführen, um ihr Gesicht zu wahren. Dabei waren sie aber anscheinend darauf bedacht, die Lage nicht unnötig zu eskalieren.

Das deckt sich auch mit einem Tweet des iranischen Außenministers Javad Zarif, den er nach dem Raketenangriff gepostet hatte und in dem er erklärte, dass es sich bei der iranischen Antwort um eine verhältnismäßige Aktion handelt, die durch Artikel 51 der UN-Charta gedeckt sei, da es sich um ein Ziel gehandelt habe, von dem ein „feiger Angriff auf unser Bürger und einen hohen Amtsträger ausgegangen ist“. Der Iran sei an keiner weiteren Eskalation interessiert, aber werde sich gegen jede weitere Aggression verteidigen, hieß es weiter. So als wolle der oberste iranische Diplomat sagen: Wir haben das getan, um das Gesicht zu wahren. Jetzt wollen wir den Deckel draufsetzen.

Diplomatie per Twitter

Der Tweet war wohl ein perfektes Beispiel, wie die hohe Diplomatie inzwischen auf höchster Ebene auf Twitter ausgetragen wird. Auch US-Präsident Donald Trump, wenig bekannt für sein diplomatisches Feingespür auf Twitter, ging zunächst mit einem „All is well“ – „Alles ist gut“-Tweet in Washington ins Bett. Wobei man diesen Tweet in alle Richtungen interpretieren kann. Entweder: Es war nicht so schlimm, da es keine Opfer gab. Oder: Wir haben den nächsten Schlag schon vorbereitet.

Während Irans Außenminister online versuchte, die Wogen zu glätten, schlugen die Iraner für den heimischen Gebrauch ganz andere, scharfe Töne an. Das Ganze sei eine erste Watsche gewesen; die Revanche für den Tod Soleimanis wird sein, dass die USA die Region verlassen muss, ließ der oberste Revolutionsführer Ayatollah Khamenei verlauten. Gleichzeitig kolportierten iranische Staatsmedien Berichte von bis zu 80 Amerikanern, die bei den Raketenangriffen umgekommen sein sollen. Zu diesem Zeitpunkt sind weder von amerikanischer Seite noch von iranische Seite Opferzahlen offiziell bestätigt.

Die zwei brennendsten Fragen zu Stunde lauten einmal: Bleibt es bei dieser iranischen Antwort? Und zum Zweiten: Werden die USA darauf antworten und wenn ja, wie? Dabei ist eines deutlich. Wenn es einen günstigen Moment gibt, die Lage zu deeskalieren, dann sind es die nächsten Stunden. Beide Seiten können sich gesichtswahrend als vermeintliche Gewinner zurückziehen und ihrem heimischen Publikum erklären, dass sie die Krise erfolgreich gemeistert haben. Die USA haben den notorischen iranischen General Soleimani getötet, den sie für den Tod von Amerikanern verantwortlich machen. Der Iran hat von seinem eigenen Boden aus ein Statement gegen die US-Truppen in der Region abgegeben.

Verbündete verhalten sich still

Selbst die Verbündeten der USA am Golf, die im Iran den größten regionalen Rivalen sehen und die normalerweise keine Gelegenheit auslassen, in jeden Konflikt mit dem Iran Öl ins Feuer zu gießen, wie Saudi Arabien, verhalten sich auffällig still. Anwar Gargasch, der Staatsminister der Vereinigten Arabischen Emirate für Auswärtiges, twitterte gar, dass Deeskalation jetzt sowohl klug als auch notwendig sei. Dahinter steckt die Angst, dass die Golfstaaten zu einem iranischen Ziel werden könnten, sollte der Konflikt eskalieren. Im Iran wurden in den letzten Tagen immer wieder öffentlich Szenarien diskutiert, in denen beispielsweise Dubai zur Zielscheibe werden könnte, sollten die USA den Konflikt weiterdrehen. Andere mögliche Ziele wären Ölanlagen in Saudi Arabien oder die 7. US-Flotte, die in Bahrein stationiert ist.

Aber die Rechnung der Deeskalation ist ohne Donald Trump gemacht. Der hat im Moment im Wesentlichen drei Optionen. Er kann in dem bisherigen Spiel zwischen Washington und Teheran nach dem Motto, „wie du mir so ich dir“, einfach weitermachen und seinem Militär den Auftrag geben, einen begrenzten Militärschlag auszuführen, der den Iranern auch nicht allzu weh tut. Wenn sich diese Serie allerdings fortsetzt, besteht die Gefahr, dass etwas schief geht oder eine Seite die Nerven verliert. Dieses Szenario kann als leicht außer Kontrolle geraten.

Die zweite Möglichkeit, die Trump bereits mehrmals angekündigt hat, wäre, die Lage jetzt vollkommen zu eskalieren. Das würde mit Sicherheit außer Kontrolle geraten, nicht nur im Iran, sondern in der ganzen Region. Außerdem widerspricht das Trumps bisherigem Credo, die US-Militärs nicht mehr in Konflikten in der Region zu verwickeln, sondern sie langsam nach Hause zu bringen. Ein Krieg gegen den Iran ist im Moment nicht populär in der amerikanischen Öffentlichkeit.

Die dritte Möglichkeit ist, dass sich Trump nun tatsächlich auf eine Deeskalation einlässt und einen Schlussstrich zieht. Nun ist Trump nicht für sein deeskalierendes Naturell bekannt, aber vielleicht nehmen in diesen unsicheren Zeiten doch die US-Institutionen wie das Militär und die Diplomaten das Zepter in die Hand. Es gibt aber auch Beispiele, in denen Trump nicht auf Eskalation gesetzt hat, etwa beim US-Militärschlag gegen die syrische Luftwaffenbasis von Shayrat im Frühjahr 2017, nachdem die syrische Luftwaffe von dort einen Chemiewaffenangriff geführt hatte.

Gesichtswahrung per Militärschlag

Damals hatte Trump mit viel Medien-Trara ein paar teure Marschflugkörper auf die Start- und Landesbahn feuern lassen. Sein Militär stellte sicher, dass dabei keine syrischen Truppen und vor allem keine russischen Soldaten zu Schaden kamen. Der iranische Angriff sieht übrigens dabei so aus, als hätte dieses militärische Antwortmodell, das Gesicht zu wahren, ohne der anderes Seite allzu weh zu tun, Schule gemacht.

Der iranische Angriff sieht übrigens dabei so aus, als hätte dieses militärische Antwortmodell, das Gesicht zu wahren, ohne der anderes Seite allzu weh zu tun, Schule gemacht

Aber eines dürfte auch klar sein. Beide Seiten haben jetzt die Möglichkeit, unter einer unmittelbaren Eskalation einen Schlussstrich zu ziehen; der Konflikt zwischen den USA und dem Iran wäre dabei noch längst nicht zu Ende. Vor allem die Iraner denken, wie ihr getöteter General Soleimani, nicht in kurzen taktischen Dimensionen, sondern in langfristigen strategischen.

Sie können die USA mit einem langen Atem durch ihr ausgedehntes Netzwerk an von ihnen kontrollierten schiitischen Milizen militärisch ausdauernd sticheln und ihnen den Nerv rauben. Dabei können sie immer unter der Ebene einer großen militärischen Konfrontation bleiben, wohl wissend, dass weder Washingtons Verbündete am Golf noch Trump selbst, noch dessen Militärs an einem großen Krieg in der Region interessiert sind. Das letzte Kapitel ist in dieser Konfrontation noch lange nicht geschrieben.

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