Berlins Schulabbrecherquote sinkt: Ein bisschen ist zu wenig

War die Abschaffung der Hauptschule vor 10 Jahren ein Erfolg? Nein, sagt die Wirtschaft. Ja, sagt die Schulsenatorin. Jedenfalls war sie nicht konsequent genug.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres, SPD Foto: picture alliance/Britta Pedersen/zb/dpa

Seitdem es die Hauptschule nicht mehr gibt in Berlin, also seit beinahe zehn Jahren, beschäftigt diese Stadt die schulpolitische Frage: Hat’s denn jetzt was gebracht? Die Industrie- und Handelskammer senkte nun den Daumen: 58 Prozent der Berliner Unternehmen bemängelten laut IHK so grundlegende Kompetenzen wie Lesen, Schreiben, Rechnen bei den BewerberInnen. Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) hält am Montag prompt dagegen und verweist „im zehnten Jahr der Schulstrukturreform“ auf „die niedrigste Schulabbrecherquote seit vier Jahren“.

Disclaimer: Die Quote ist um gerade mal 0,6 Prozentpunkte auf acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Und: Als es die Hauptschule noch gab, lag die Abbrecherquote auch bei rund neun Prozent. Zudem hat die IHK mit ihrer Schwarzmalerei insofern recht, als dass auch die Autoren der Berlin-Studie, der wissenschaftlichen Begleitung der Schulreform, sagen: Die Leistungen der SchülerInnen sind nicht besser geworden – und zwar trotz gestiegener AbiturientInnenzahlen.

Immerhin: Die Zahl der „Risikoschulen“, also die Schulen, an denen fast alle SchülerInnen Sozialleistungen beziehen oder nichtdeutscher Herkunft sind, habe sich mehr als halbiert, wie auch die Bildungsverwaltung noch mal betonte. Man kann das durchaus zu Recht betonen, denn immerhin ist die Schulreform auch ganz wesentlich dafür angestrengt worden, dass das Diktum von Herkunft und statistischen Bildungschancen wenigstens ein bisschen aufgebrochen wird.

Das Problem ist, dass ein bisschen nicht reicht. Denn es ist auch so: Die Sekundarschulen ohne gymnasiale Oberstufe haben es verdammt schwer. Sobald sich mehrere von ihnen zusammenschließen und eine gemeinsame Oberstufe anbieten, interessieren sich hingegen auch bildungsinteressiertere Eltern.

Alle wollen also die Abi-Option. Und solange die Eltern die Wahl haben, wählen sie. Die einzige echte Konsequenz wäre die Gemeinschaftsschule.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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