: Kiez-Museum bleibt auf dem Kiez
Kurz vor Weihnachten flatterte dem Sankt Pauli Museum eine erneute Mieterhöhung ins Haus und die Verantwortlichen kündigten daraufhin das Aus des privaten Hauses in der Davidstraße an. Der Bezirk Mitte hilft mit 20.000 Euro und verschafft dem Museum so Zeit
Von André Zuschlag
Manchmal kann es schnell gehen: Nachdem der Trägerverein des Sankt Pauli Museums nach den Weihnachtstagen ankündigte, dass das Museum in der Davidstraße wegen einer weiteren Mieterhöhung im März schließen müssen werde, gab es kurz Empörung und dann eine überraschend schnelle Lösung. Zumindest eine Lösung, die dem Trägerverein Zeit verschafft, um neue und bezahlbare Räume zu finden. Die Koalition im Bezirk Mitte aus SPD, CDU und FDP kündigte kurzerhand an, dem Museum 20.000 Euro zur Verfügung zu stellen.
„Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Bezirksversammlung 20.000 Euro zur Verfügung stellt, damit das Sankt Pauli Museum als eines der wichtigsten Kulturgüter auf St. Pauli seine Arbeit auch 2020 weiterführen kann“, teilte die Koalition am Montagnachmittag mit. „Wir sind sehr dankbar, dass das so schnell ging“, sagte Julia Staron, Vorständin des Trägervereins. „Damit können wir Günter Zints Lebenswerk tatsächlich langfristig erhalten“, sagt Staron.
Der Fotograf Günter Zint gilt mit seiner Fotosammlung als einer der wichtigsten Chronisten des Stadtteils – und auch darüber hinaus. Er war es, der das Museum, dass mittlerweile von einem Trägerverein betrieben wird, gründete. Die Anfänge des Museums reichen in das Jahr 1982 zurück. Damals hatte Zint das Stadtteilarchiv St. Pauli mitgegründet, um die Geschichte des Stadtteils zu bewahren. 1989 folgte dann die Gründung des Museums. Ab den 1990er-Jahren kam es erst im Schmidts Tivoli und anschließend dann gegenüber des Panoptikums am Spielbudenplatz unter. Nach einigen weiteren Umzügen zog die Zint-Sammlung im Jahr 2010 in die Davidstraße.
Der Vermieter des Gebäudes in der Davidstraße hatte dem Trägerverein bereits vor längerer Zeit angekündigt, die Miete an den ortsüblichen Preis anpassen zu wollen. Nach Verhandlungen konnte der Verein immerhin erreichen, dass die Miete nur schrittweise und nicht auf einen Schlag erhöht wurde. „Als aber wenige Tage vor Weihnachten der Brief mit der Ankündigung zur dritten Erhöhung ankam, haben wir uns zusammengesetzt, durchgerechnet und erkannt, dass wir diese Miete nicht mehr tragen können“, sagt Staron. 6.300 Euro pro Monat beträgt die Miete nun für das Museum mit einer 150 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche.
Das größte Problem sei, dass der Verein, bedingt durch die Bauweise des Gebäudes, die Miete für das gesamte Haus zahlen müsse, sagt Staron. „Also auch die Kellerräume, die wir eigentlich nicht brauchen, die aber nicht anders vermietet werden können.“ Trotz der Bezirksmittel müsse die Suche nach einem neuen Standort für das Museum also fortgesetzt werden. „Wir wollen langfristig keine staatlichen Mittel für den Betrieb eines privaten Museums missbrauchen“, sagt Staron. Vor allem dann nicht „wenn damit die hohen Mietpreise eines Vermieters unterstützt werden“.
Rund 100.000 BesucherInnen kommen jedes Jahr ins Sankt Pauli Museum. Mit städtischem Geld wird das private Museum nicht unterstützt. Geld kommt in die Museumskasse durch den Eintritt, der mit fünf Euro pro Person im Vergleich zu anderen Museen in der Stadt vergleichsweise gering ist, sowie durch Spenden und Kooperationen. „Die Umsätze sind zwar stabil, aber unterm Strich reicht es für ein privat bewirtschaftetes Museum nicht“, sagt Staron.
Noch wichtiger als die Finanzspritze aus dem Bezirk sei daher die angekündigte Unterstützung von Bezirk und Kulturbehörde bei der Suche nach einem neuen Standort. Die sagte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) bereits zu: „Wir werden bei der Standortsuche und der weiteren Entwicklung nach Kräften unterstützen“, so Brosda am Montag.
Julia Staron, Vorständin des Sankt Pauli Museums
Die angekündigte Unterstützung nannte der 78-jährige Zint „ein verlängertes Weihnachten“. Überhaupt hätten sich in den vergangenen Tagen bei ihm viele Menschen gemeldet, um ihre Unterstützung anzubieten. Auch die Polizistinnen und Polizisten der Davidwache hätten ihm einen Brief geschrieben und ihre Empörung zum Ausdruck gebracht, dass das Museum verdrängt werde. „St. Pauli ohne das Museum kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Zint.
Klar ist derzeit, dass das Sankt Pauli Museum das komplette Jahr 2020 weiter in der Davidstraße bleiben kann. Gehen werden sie trotzdem müssen. Denn die „ortsübliche“ Miete ist offenbar zu viel zu hoch, um den Betrieb eines Museums ohne staatliche Zuschüsse an diesem Standort am Laufen zu halten.
Für Julia Staron ist das nur eine stellvertretende Entwicklung, die in ganz St. Pauli zu beobachten sei. „Wir haben hier ganz viele Vermieter, die sich vom Viertel abstrahiert haben“, sagt Staron. Nur noch wenige VermieterInnen seien vor Ort verankert und für die meisten EigentümerInnen seien Objekte im Viertel bloß noch ein einziges Renditeobjekt. Und so könnte irgendwann auch diese Episode – stellvertretend für die gesamte Entwicklung des Stadtteils St. Pauli – ein Fall fürs Sankt Pauli Museum werden.
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